— 298 —
(Gesetzgebungen, ihr sachliches Gebiet selbst auf neue Materien
auszudehnen. Das ergibt sich daraus, daß die Vereinigung dieser
beiden Legislativen alle jene Faktoren in sich schließt, welche
in ihrem Zusammenwirken allein und unbeschränkt das Schick-
sal der Gesamtmonarchie und ihrer Teile bestimmen können,
denen auch die Gestaltung der Herrschaft im Neulande, die vom
Kaiser allein erlassene Verfassung desselben, unterworfen ist.
Der bosnische Landtag hat ja, wie wir gesehen haben, bei Aende-
rung der Landesverfassung nichts mitzureden.
Neben der Landes- und der paktierten Gesetzgebung kom-
men für Bosnien-Herzegowina auch die sanktionierten Beschlüsse
der österreichisch-ungarischen Delegationen in Betracht. Ihre
Wirksamkeit erstreckt sich auch nach der Einverleibung des
Okuppationslandes in die Monarchie, nachdem also die Ver-
waltung desselben aufgehört hat, eine äußere Angelegenheit
zu sein, auf dessen Gebiet. Zwar können sie hier ebenso wenig
wie in Oesterreich und Ungarn materielles Recht für die Unter-
tanen schaffen; wohl aber bestimmen sie das Rekrutenkontingent
und greifen in die Budgetgebarung des Landes dadurch ein,
daß sie die Kosten für die gemeinsamen Angelegenheiten der
(\esamtmonarchie festsetzen und zur Entscheidung über die etwa
notwendigen Zuschüsse zur laufenden Verwaltung des Landes
aus Reichsmitteln berufen sind. Dazu kommt noch der bedeu-
tungsvolle Umstand, daß der Reichsfinanzminister, in dessen Res-
sort die gesamte Justiz und Verwaltung des Annexionslandes
gehört, nur den Delegationen gegenüber verantwortlich ist. Diese
Stellung der Delegationen gegenüber Bosnien-Herzegowina erhält
dadurch einen ganz neuartigen Charakter, daß ihre Wirksamkeit
im Neulande nicht wie in Oesterreich und Ungarn durch die
Parlamente, aus welchen sie entsendet wurden, vermittelt wird.
Der bosnische Landtag entsendet keine Vertreter in die Dele-
gationen und hat weder auf deren Zusammensetzung, noch auf
deren Funktionen einen rechtlichen Einfluß. Auch hier ist es