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zu dem gegenwärtig aktuellen Streit einnehmen würde, ob die
bayerische Staatsregierung in der Lage ist, auszusprechen, daß
die Fähigkeit zum Richteramt, welche nach $ 2 GVG. durch
Ablegung zweier Prüfungen erworben wird, durch einen bestimmt
gearteten Verzicht wieder verloren werden kann *.
Daß die gesetzlich festgestellte Befähigung zum Rich-
teramt ein subjektives öffentliches Recht im oben an-
gedeuteten Sinn, d. h. ein Rechtsverhältnis begründet, ist
ohne weiteres klar. Auch JELLINEK ist sich darüber nicht im
Zweifel und er bezeichnet dieses Rechtsverhältnis — da es ja
im modernen Staate kein Recht auf Beamtung im eigentlichen
Sinne gibt — als passive Qualifikation. „Durch diese
wird jemand nicht unmittelbar mit einem Anspruche an
den Staat ausgerüstet, sondern ihm nur eine Fähigkeit bei-
gelegt, kraft deren er mögliches Subjekt eines Anspruches wird.
Zu dieser abstrakten Fähigkeit muß ein spezieller Erwerbungs-
akt, des in ihr sich einwurzelnden Anspruches hinzukommen, um
aktive Qualifikation hervorzurufen. Passive Qualitikationen
sind ausschließlich Reflexe von Rechtssätzen, die in dieser Eigen-
schaft zu keiner, wie immer gearteten Handlung berechtigen.
Solcher Art sind die Wählbarkeit und die Aemterfähig-
keit; aus ihnen allen erwächst nicht der geringste Anspruch,
der eines rechtlichen Schutzes fähig wäre. Sie sind nicht in
der individuellen Sphäre lokalisiert, sondern nur der Wider-
*8 55 der bayerischen Verordnung vom 4. Juli 1899 in der Fassung
vom 22. Oktober 1910 betreffend die Vorbedingungen für den Justiz- und
Verwaltungsdienst (GVBl. S. 10038. JMBl. S. 773; WOERNER, Sammlung d.
f. d. Rechtskandidaten in Bayern etc. geltenden Vorschriften S, 4ff.), über
dessen Rechtswirksamkeit lebhaft gestritten wird. (Vgl. z. B. Rechtsprakti-
kant Dr. EnGEL in der Augsburger Abendzeitung vom 23. Februar 1911
Nr, 54, Rpr. Scuätz in den Monatsblättern des bayer. Rpr.-Verbands,
Landgerichter. Dr. ScHuULTZ in der Zeitschr. für Rechtspflege in Bayern
VII Jahrg. S. 158 und Rechtsanwalt Dr. E., SOHRAMM, Kempten in der
Augsburger Abendzeitung vom 8. März 1911 Nr. 67 u. in den Bl. f. RA.
1911, 76. J. S. 425.)