— 508 —
Bedeutung gehabt und es könne sich deshalb nicht darum handeln, was
man im internationalen Rechte im allgemeinen darunter verstehe. Die
englische Auffassung wurde daher als die richtige erklärt. Gleichzeitig
wurde eine Anweisung für die zukünftige Regelung solcher Streitfragen
gegeben. Einer von den fünf Schiedsrichtern, DrAGo, stellte bei der
Unterzeichnung des Urteils seine abweichende Ansicht in diesem fünften
Punkte fest, was nach dem für die,Schiedsrichter verbindlichen Abkommen
der ersten Haager Konferenz über die friedliche Erledigung internationaler
Streitigkeiten möglich war. 1907 hat man jedoch den von der Ansicht
der Mehrheit abweichenden Richtern dieses Recht genommen. DRrAGo
begründete auch seine abweichende Ansicht in einer ausführlichen Darle-
gung, die ebenso wie das Urteil selbst in dem vorliegenden Buche abge-
druckt ist. Er wollte zwischen den gewöhnlichen und den sogenannten „hi-
storischen* Bais unterschieden wissen. Er führte aus: Nicht sämtliche Ein-
schnitte des Meeres hätten eine gleiche Bedeutung. Es gebe solche, an
denen sich gar keine menschliche Ansiedlungen, Städte oder natürliche
Reichtümer befänden und die auch für die Landesverteidigung ohne Be-
deutung wären. Hier müsse man die gewöhnlichen Regeln, die für die
Bais im internationalen Rechte gälten, anwenden. Andererseits gebe es
solche, die in jeder Hinsicht eine große Wichtigkeit besäßen, so daß man
den Staaten die Territorialhoheit darüber nicht nehmen dürfe, so die Bai
von Delaware an dem großen Hafen von Philadelphia. Hierbei hatte DrAGO
auch die Mündung des Rio de la Plata in seinem eigenen Vaterlande im
Auge, dessen Delta er für ein Territorialmeer erklärte. Er wollte hier
ganz gewiß ein Präjudicium zugunsten seines Vaterlandes aufstellen, da
die Territorialhoheit Argentiniens über das Delta des Rio de la Plata
nicht allgemein anerkannt ist. (Vgl. zu der abweichenden Ansicht DRA-
Gos meine Ausführungen auf S. 138 ff. meines „Kommentars zu dem
Haager Abkommen betreffend die friedliche Erledigung internationaler
Streitigkeiten“, 1. Beiheft des „Archivs für öffentliches Recht“, 1911.)
Die sechste Frage lautete dahin, ob die Bewohner der Vereinigten
Staaten das Recht hätten, in den Meerbusen der Küste von Neufundland
und um die Inseln Madaleine zu fischen, oder lediglich in den Territorialge-
wässern längs der Küste. Es handelte sich hier lediglich um eine Interpre-
tation des Vertrages von 1818, bei der keine besonderen juristischen Fragen
streitig waren. Dasselbe war der Fall bei der siebten Frage, ob die Be-
wohner der Vereinigten Staaten, deren Schiffe nach dem Vertrage von
1818 dem Fischfange nachgingen, für eben diese Schiffe die den Handels-
schiffen Nordamerikas sonst zugestandenen Handelsfreiheiten beanspruchen
dürften. In ‘beiden Punkten gab das Schiedsgericht der amerikanischen
Auffassung Recht.
Insgesamt hat also Nordamerika in den fünf unwichtigeren, England aber
in den zwei bedeutendsten Fragen gesiegt. Das Urteil wurde in beiden