Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Auch in diesem Sinne, ebenso wie im materiellen, dürfte kaum 
eine Rechtsordnung als Ganzes, einschließlich des Staats- und Ver- 
waltungsrechtes, als lückenlos zu betrachten sein. Erst dann könnte 
die Geschlossenheit angenommen werden, wenn man eine „still- 
schweigende“ Berufung des Gesetzgebers auf solche Prinzipien 
für alle materiellen Lücken der Rechtsordnung annähme, also 
beispielsweise einen stillschweigenden allgemeinen Auftrag an die 
Richter, Lücken in ihrer Kompetenzsphäre nach Rechtsgefühl, an 
die Verwaltungsorgane, Lücken in ihrer Kompetenzsphäre nach 
freiem Ermessen auszufüllen. Dieser Meinung scheint beispiels- 
weise ERICH KAUFMANN ın dem früher zitierten Werk zu sein, wo 
er, noch über BERGBOHM hinausgehend, erklärt, der vom Rechte 
leergelassene Raum sei nur kraft der Autorität des 
Rechtes frei, daher seien echte Rechtslücken undenkbar (S. 51, 
49). Die mit dieser Materie zusammenhängenden Probleme hat 
JUNG leider nicht berührt. Auch hier können sie leider nicht ein- 
gehender erörtert werden, da dies rechtsphilosophische und methodo- 
logische Untersuchungen über diejenige Quelle oder dasjenige Aus- 
legungsprinzip voraussetzt, auf welche man sich gewöhnlich als auf 
den „Willen des Gesetzgebers“ zu berufen pflegt. Ich hoffe auch 
zu dieser Frage später ausführlicher Stellung nehmen zu können. 
Hier sei nur etwas ganz kurz bemerkt. 
Gesetztes Recht wird durch das Hilfsmittel der Sprache fixiert. 
Jeder sprachliche Ausdruck bedarf der „Auslegung“, um ver- 
standen zu werden, wenn man sich auch im täglichen Leben dieser 
interpretierenden Tätigkeit meist gar nicht bewußt wird. Dieselben 
Worte können einen ganz anderen Sinn geben, wenn sie heute A 
gegenüber B an diesem Ort, morgen Ü gegenüber D an einem an- 
deren Ort gebraucht. Auch die Worte des Gesetzes müssen daher 
„interpretiert“ werden, wären sie noch so klar. Solche Interpre- 
tation kann nun gewiß möglicherweise zu dem Ergebnis führen, 
daß das Gesetz das lechtsgefühl, politische Opportunitätserwä- 
gungen u. dgl. „stillschweigend“ als maßgebend erklärt, also zur
	        
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