Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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kraft in den Augen mancher dadurch etwas beeinträchtigt worden 
sein dürften, daß TEZNER kürzlich, wenn auch zweifellos in der 
allerbesten Absicht und gereizt durch eine in noch viel höherem 
Grade mißverständliche Kritik des KELSENschen Werkes, in einem 
Artikel in der Neuen Freien Presse vom 27. Oktober 1912, S. 32, 
33, sein zum Teil gewiß sehr berechtigtes Lob für KELSEN bis zu 
etwas überschwenglichen Phrasen gesteigert hat °. 
Ich selbst habe in GRÜNHUTSs Zeitschrift, XXXIX, 312 ff., ver- 
sucht, gegen KELSENs Theorie eingehend Stellung zu nehmen, 
woran sich einige Bemerkungen in dem Aufsatz Zum Problem des 
freien Ermessens in der Festschrift für Ernst Zitelmann zu seinem 
60. Geburtstage, insbesondere 22 ff., 31, 32, 38 ff. reihen. Es würde 
einen unverhältnismäßigen Raum in Anspruch nehmen, das an 
jenen Stellen Gesagte hier zu wiederholen und darum sei es gestattet 
den Leser auf das dort Vorgebrachte zu verweisen. Hier interessiert 
nur so viel von den Ergebnissen, als für die Besprechung des 
Problems der logischen Geschlossenheit der Rechtsordnung wichtig 
ist. In dieser Hinsicht kann etwa folgendes als das Resultat meiner 
zitierten Erörterungen von KELSENs Theorie behauptet werden. 
KELSENs Theorie ist weder für die philosophische Erfassung noch 
für die praktische Anwendung des Rechtes von Wert. Für die 
philosophische Erfassung: denn wir erfahren nichts über das Wesen 
der Rechtsquelle, über die Rechtfertigung des Rechts, den Grund 
seiner Verbindlichkeit, seines Entstehens uud Vergehens; für die 
praktische Anwendung: denn wir hören nur, daß wir den als be- 
kannt vorausgesetzten Rechtssatz dem Staate zurechnen sollen, was 
praktisch gleichgültig ist, während nichts darüber gesagt wird, 
woher die Kenntnis der nicht expressis verbis im Gesetz enthaltenen 
Rechtssätze zu schöpfen sei. Wenn man selbst die Konstruktion 
KELSENs nicht bloß, wie dieser Autor, nur auf das Gesetzesrecht, 
sondern auch auf das Gewohnbheits- und das natürliche Recht 
® Vgl. ferner über KELSENs Arbeit BoAsson in „Themis“, 1913, Nr. 1.
	        
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