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nommen und im selben Augenblick durch das Gesetz in beschränk-
tem Maße zurückgegeben worden.
Am deutlichsten aber wird der Mangel in der Begründung
der hier besprochenen Ansicht aufgezeigt durch das Bestehen des
sogenannten unmittelbaren Zwanges. Dieser Ausdruck wird in
der Literatur in zweierlei Sinne gebraucht. In dem einen Sinne
verwenden ihn verschiedene Schriftsteller, uın dadurch die Durch-
setzung einer hehördliehen Anordnung durch physische
Gewalt zu bezeichnen ?. In dieser Bedeutung bildet er einen
Gegensatz, insbesondere zu dem indirekten Zwang, der sein Ziel
durch psychologische Einwirkung auf den Willen des Untertanen
zu erreichen sucht (für diese Bedeutung wird hier der Ausdruck
direkter Zwang gebraucht). In dem Sinne jedoch, wie OTTO
MAYER? den Ausdruck versteht, und wie er auch hier gebraucht
werden soll, bedeutet „unmittelbarer Zwang“ soviel wie Anwen-
dung der staatlichen Zwangsgewalt. ohne daß ihr ein Befehl der
Behörde vorausginge. Den Gegensatz hierzu bildet der staatliche
Zwang gleichviel welcher Art, der erst dann losgelassen wird,
wenn der Befehl an den Untertan keinen Gehorsam gefunden hat.
Diese letztere Erscheinungsform des Zwanges ist die normale;
im allgemeinen hat der Staat kein Interesse daran, seine Macht-
mittel ins Treffen zu führen, ohne versucht zu haben, ob der
Untertan den schuldigen Gehorsam nicht freiwillig leistet. Trotz-
dem gibt es zahlreiche Fälle, in denen die Staatsgewalt in die
Rechtssphäre des einzelnen gewaltsam eingreift, ohne ihm vorher
etwas befohlen zu haben, und zwar aus zweierlei Gründen. Ent-
weder sie schreitet unmittelbar ein, weil ein vorgängiger Befehl
unmöglich oder zwecklos wäre. Ein Tobsüchtiger wird mit Ge-
walt in eine Irrenanstalt verbracht, ein sinnlos Betrunkener zwangs-
weise in Polizeigewahrsam geführt. Ein Befehl an sie, etwa des
2 So GEORG MEYER, Deutsches Verwaltungsrecht S. 91; so übrigens
auch das Preußische Landesverwaltungsgesetz $ 132 Z. 3.
® OrrTo MAYrR, Deutsches Verwaltungsrecht I. S. 346.