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Der Befehl, zu dem das Gesetz die Behörden ermächtigt,
kann zweierlei Natur sein: entweder er ist ein allgemeiner Befehl
(Verordnung) oder ein Einzelbefehl (Verfügung). Der Befehl
durch die Art der Verordnung, die hier in Betracht kommt, ist
dem allgemeinen Befehl durch Gesetz in seinem Verhältnis zum
Zwangsverfahren völlig gleichzustellen; es handelt sich, wie beim
Befehl durch Gesetz, um eine an einen bestimmten Tatbestand
geknüpfte Rechtsfolge (Pflicht des Untertanen). Die Verordnung,
welche die Behörde auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung er-
läßt, ist also ein Gesetz im materiellen Sinne, eine Rechtsverord-
nung”. Nur eine solche Verordnung ist imstande, bei Ungehor-
sam ein Verwaltungszwangsverfahren herbeizuführen, nicht da-
gegen eine Verwaltungsverordnung, ein bloßer Dienstbefehl an die
Behörden. Dieser richtet sich nicht an die Untertanen, sondern
lediglich an Organe des befehlenden Rechtssubjekts.
Da nun, wie gesagt, die Rechtsverordnung einem Gesetz im
materiellen Sinne inhaltlich durchaus gleicht, und ebensogut in
Form eines Gesetzes erlassen werden könnte. so gilt von dem in
ihr enthaltenen allgemeinen Befehl dasselbe, wie von dem im Ge-
setz enthaltenen: entweder er ist seiner Natur nach oder durch
ausdrückliche Bestimmung einer Ergänzung durch einen Einzel-
befehl bedürftig, oder er genügt für sich allein, um bei Ungehor-
sam das Zwangsverfahren zu begründen. Auch hier hängt das
von denselben Umständen ab wie beim Gesetzesbefehl.
Nach alledem kann die Verfügung, der behördliche Einzel-
befehl, in viererlei Funktionen auftreten: er kann einmal der er-
gänzende Einzelbefehl zu einem allgemeinen gesetzlichen Befehl
sein (Beispiel: der Steuerbefehl); er kann ferner die Ergänzung
zu einer Verordnung bilden; er kann drittens auf Ermächtigung
zum Einzelbefehl durch Gesetz beruhen (Auflösung einer Ver-
sammlung) und viertens sich aus einer Ermächtigung durch Ver-
ordnung herleiten.
?® LABAND, Staatsrecht II. S. 78 fl.; Rosın 8. 55.