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wie es ein Ratmann oder einer der Achtmänner des 16. Jahr-
hunderts war. Auch heute üben sie ihre Amtstätigkeit auf Grund
ihrer Bürgerpflicht aus, nicht auf Grund eines Dienstverhältnisses.
Entsprechendes gilt von Lübeck.
Will man auf dem Gebiete des Staatsrechtes den rechtlichen
Inhalt eines Rechtsinstituts erfassen, so darf man sich noch weniger
als auf dem Gebiete des mehr durchgebildeten Privatrechts auf
die Heranziehung und Auslegung von Gesetzesvorschriften be-
schränken. Ich pflichte vollkommen der Auffassung von JELLINEK
bei (System S. 290), daß alle staatsrechtliche Konstruktion in
erster Linie den rechtlichen Kern gegebener politischer Verhält-
nisse begreifen will”. Daher muß bei der staatsrechtlichen Unter-
suchung die auf das Herkommen und auf die Rechtsüberzeugung
der Beteiligten gegründete Praxis des Staatslebens als eine be-
sonders wichtige Erkenntnisquelle verwertet werden.
Der Deputierte in Hamburg und Lübeck hat keinen Vor-
gesetzten über sich. Der Senat hat allerdings als höchste Ver-
waltungsbehörde der einzelnen Deputation dienstliche
Weisungen zu erteilen, aber zwischen dem einzelnen Depu-
tationsmitgliede und dem Senate besteht keine rechtliche
Beziehung, kraft deren der Senat dem einzelnen Deputierten für
sein Verhalten Vorschriften machen könnte. Die Amtspflichten
des Deputierten — und das ist ein überaus wichtiger Punkt —
sind weit weniger bestimmt, als diejenigen eines Beamten. Schon
der Umstand, daß der Deputierte nur mit den wichtigeren An-
gelegenheiten des Verwaltungszweigs befaßt wird, während das
minder Wichtige vom präsidierenden Mitgliede oder den Beamten
erledigt wird, zusammengenommen mit dem entgegengesetzt wir-
kenden Umstande, daß der Deputierte in der Behörde jeden Gegen-
stand, schon wegen der erforderlichen Vertretung des Kollegiums
” Auch Huco Preuss, Das städtische Amtsrecht in Preußen, 8. 121,
bestätigt die Richtigkeit des Gedankens JELLINEKs.