— 191 —
OVG. in diesem Falle die freie Würdigung, nach welcher die Frage
der Anstößigkeit einer Theateraufführung zu entscheiden war, vor-
genommen auf Grund der Kenntnis, die seine Mitglieder von dem
Empfinden ihrer Mitbürger zu haben glaubten. — Die Statthaf-
tigkeit der Aussetzung eines Verfahrens an dem OVG. erörtert
endlich der Beschluß vom 30. April 1913”; das OVG. hat kein
Bedenken getragen, in analoger Anwendung des $ 148 ZPO. die
Aussetzung wegen der Präjudizialität eines von einer andern Be-
hörde festzustellenden Rechtsverhältnisses, und zwar — entspre-
chend dem im $ 19 der Geschäftsordnung aufgestellten Grund-
satze — auf bestimmte Zeit auszusprechen.
Aber auch die Streitfragen des materiellen Rechts, welche
dem OVG. bisher zur Entscheidung vorgelegen haben, verdienen,
obwohl hier das allgemeine Interesse vor dem lokalen naturgemäß
erheblich zurücktritt. aufmerksame Beachtung. Die weitaus meisten
Prozesse gehören dem Steuerrecht an. Sie interessieren weitere
Kreise nur insoweit, als wichtige Inzidentfragen mit ihnen verknüpft
sind. So erörtert das Urteil vom 11. Dezember 1912 die bedeutsame
Frage, ob in Altenburg ein Ortsstatut bestimmen könne, daß Be-
anıte bei der Klasseneinteilung zur Gemeindewahl nur mit ihrem
steuerpflichtigen Einkommen berücksichtigt werden, d. h. ein ihrer
minderen Kommunalsteuerpflicht entsprechend minderes Walılrecht
haben. Dies ist zu bejahen. Auch in Preußen gilt heute noch
das mindere Wahlrecht der Beamten als Folge ihrer minderen
Steuerpflicht. Es würde hier zu weit führen, auf den Inhalt aller
übrigen Entscheidungen näher einzugehen. Es genüge der Hin-
weis, daß sie die verschiedenartigsten verwaltungsrechtlichen Ma-
terien behandeln, wie Disziplinarrecht, Jagdrecht, Wegereclht, Poli-
zeirecht, Gemeinderecht, Schulrecht usw. Manche Erkenntnisse
bieten ein weit über das juristische Gebiet hinausgehendes Inter-
esse, so vor allem das Urteil vom 5. November 1913, das in um-
fassender Erörterung auf der Grundlage des Rechtes der Ord-
21 B],f.R. 302 ff