Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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und deren gegenseitiges Verhältnis handelt, immer muß von ir- 
gendeiner letztlich selbst als gültig vorausgesetzten und obersten 
Norm (oder einem Normensystem) der Ausgang genommen werden. 
Die Frage der Gültigkeit dieser letzten als Voraussetzung aller 
juristischen Erkenntnis angenommenen Norm, liegt dann außerhalb 
dieser juristischen Erkenntnis. Diese letzten Endes als oberste 
vorausgesetzte Norm ist dann gleichsam der archimedische Punkt, 
von dem aus die Welt der juristischen Erkenntnis in Bewegung 
gesetzt wird. Die Auswahl dieses Standpunktes ist im Grund keine 
juristische, sondern eine politische Frage und muß daher vom 
Standpunkt juristischer Erkenntnis immer den Anschein von Will- 
kürlichkeit haben. Der tatsächlichen Kontinuität der historischen 
Entwicklung entspricht keineswegs eine ununterbrochene Rechts- 
kontinuität; fast alle heute geltenden Rechtsordnungen ruhen auf 
revolutionärer Grundlage, beginnen ihre Entwicklung mit einem 
Bruch der alten Ordnung, von der aus beurteilt alle späteren 
Normen ungültig erscheinen würden, weil die Art und Weise 
der Normentstehung und damit die normsetzende Autorität eine 
andere geworden ist. In der Regel wird bei der Umwandlung 
einer absoluten Monarchie in eine Republik oder eine konstitutio- 
nelle Monarchie die Rechtskontinuität unterbrochen. Allein denk- 
bar ist auch die Begründung der neuen Staatsform durch eine 
Norm der alten Autorität. So ist erst kürzlich die chinesische 
Monarchie durch ein Gesetz des absoluten Monarchen in eine Repu- 
blik gewandelt, so ist z. B. in Oesterreich die Verfassung durch 
einseitige Normen des faktisch absolut regierenden Kaisers ins Leben 
gerufen worden: mit Oktoberdiplom von 1860 oder Februarpatent 
von 1861 beginnt die Kontinuität unserer Verfassungsentwicklung. 
Denn wie diese beiden Gesetze vom Standpunkt älterer Verfas- 
sungsnormen aus — z. B. von der verfassungswidrig (also de jure 
überhaupt nicht) aufgehobenen 49iger Verfassung — zu beurteilen 
wären, muß fraglich erscheinen; wäre auch ziemlich müßig zu unter- 
suchen. Diese beiden Gesetze werden eben faktisch zum Aus-
	        
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