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zweiter Stelle spricht er vom Reichsrate. Dieser soll nur ein ge-
meinsamer Ausschuß der Landtage sein. Seine Kompetenz wird
als die kleinere speziell und ausdrücklich bestimmt, sie bedeutet
nur einen kleinen Ausschnitt aus der allgemeinen, im übrigen un-
beschränkten Landesgesetzgebungsgewalt. Das gilt nicht nur für
die auf das ganze Reich inklusive Ungarn gedachte Reichsgesetz-
gebung, sondern auch für den später sogenannten „engeren“
Reichsrat.
Allein realisiert hat das Oktoberdiplom diese scheinbare Ten-
denz, die Reichsgesetzgebung den Landesgesetzgebungen zu sub-
ordinieren, nicht. Was speziell die Frage der Kompetenzhoheit
betrifft, die Frage, wer die durch das Oktoberdiplom gezogene
Grenze zwischen Reichs- und Landeskompetenz zu ändern be-
rechtigt sei, so ist darüber prinzipiell überhaupt nichts vorge-
sehen. Folgende Möglichkeiten wären offengestanden. Entweder
hätte das Oktoberdiplom die Kompetenz, die ursprünglich festge-
setzte Grenze abzuändern, einer der beiden Gesetzgebungen, dem
Reichsrat oder den Landtagen zusprechen können, die andere
hätte dann die Stellung einer delegierten Legislative
gehabt, der Grundsatz lex posterior wäre im Verhältnis zwischen
Reichs- und Landesgesetzen nicht anzuwenden gewesen. Oder
aber eine Verschiebung der Kompetenzgrenze zwischen Reich
und Land wäre von einem zwischen Reich und Land pak-
tiertem Gesetz abhängig gemacht worden. Oder aber die Kompe-
tenzhoheit wäre beiden normsetzenden Autoritäten selbständig
und unabhängig voneinander eingeräumt worden. Mangels jeder
ausdrücklichen bezüglichen Bestimmung des Oktoberdiploms könnte
weder dem Reichsrate noch den Landtagen (beiden in Verbindung
mit dem Monarchen), noch auch beiden zusammen die Fähigkeit
zugesprochen werden, die durch das Oktoberdiplom des absoluten
Monarchen gezogene Grenze ihrer Kompetenz dureh Reichs- oder
Landesgesetz abzuändern, und da der Monarch für sich allein die
einmal festgelegte Grenze nicht mehr abändern kann — hat er