Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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zweiter Stelle spricht er vom Reichsrate. Dieser soll nur ein ge- 
meinsamer Ausschuß der Landtage sein. Seine Kompetenz wird 
als die kleinere speziell und ausdrücklich bestimmt, sie bedeutet 
nur einen kleinen Ausschnitt aus der allgemeinen, im übrigen un- 
beschränkten Landesgesetzgebungsgewalt. Das gilt nicht nur für 
die auf das ganze Reich inklusive Ungarn gedachte Reichsgesetz- 
gebung, sondern auch für den später sogenannten „engeren“ 
Reichsrat. 
Allein realisiert hat das Oktoberdiplom diese scheinbare Ten- 
denz, die Reichsgesetzgebung den Landesgesetzgebungen zu sub- 
ordinieren, nicht. Was speziell die Frage der Kompetenzhoheit 
betrifft, die Frage, wer die durch das Oktoberdiplom gezogene 
Grenze zwischen Reichs- und Landeskompetenz zu ändern be- 
rechtigt sei, so ist darüber prinzipiell überhaupt nichts vorge- 
sehen. Folgende Möglichkeiten wären offengestanden. Entweder 
hätte das Oktoberdiplom die Kompetenz, die ursprünglich festge- 
setzte Grenze abzuändern, einer der beiden Gesetzgebungen, dem 
Reichsrat oder den Landtagen zusprechen können, die andere 
hätte dann die Stellung einer delegierten Legislative 
gehabt, der Grundsatz lex posterior wäre im Verhältnis zwischen 
Reichs- und Landesgesetzen nicht anzuwenden gewesen. Oder 
aber eine Verschiebung der Kompetenzgrenze zwischen Reich 
und Land wäre von einem zwischen Reich und Land pak- 
tiertem Gesetz abhängig gemacht worden. Oder aber die Kompe- 
tenzhoheit wäre beiden normsetzenden Autoritäten selbständig 
und unabhängig voneinander eingeräumt worden. Mangels jeder 
ausdrücklichen bezüglichen Bestimmung des Oktoberdiploms könnte 
weder dem Reichsrate noch den Landtagen (beiden in Verbindung 
mit dem Monarchen), noch auch beiden zusammen die Fähigkeit 
zugesprochen werden, die durch das Oktoberdiplom des absoluten 
Monarchen gezogene Grenze ihrer Kompetenz dureh Reichs- oder 
Landesgesetz abzuändern, und da der Monarch für sich allein die 
einmal festgelegte Grenze nicht mehr abändern kann — hat er
	        
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