Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

— 224 — 
mung des Oktoberdiploms in Zweifel gezogen werden kann, 
so muß doch insoferne ein gewisses Uebergewicht der Land- 
tage über den Reichsrat und speziell den engeren Reichsrat 
zugegeben werden, als nach der ausdrücklichen Vorschrift des 
Oktoberdiploms (Ill, 3. Absatz) die Landtage wenigstens 
die Möglichkeit haben, ihre Kompetenz zugunsten des Reichs- 
rates einzuschränken. „Eine gemeinsame Behandlung (durch den 
engeren Reichsrat) kann auch stattfinden, wenn eine solche in 
betreff' der der Kompetenz des Reichsrates nicht vorbehaltenen 
Gegenstände von dem betreffenden Landtage gewünscht und be- 
antragt werden sollte“. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß 
den Landtagen auf ihre und des Reichsrates Kompetenz ein Ein- 
fluß eingeräumt werden sollte, der dem Reichsrate völlig fehlte; 
und es sollte eine solche Kompetenzeinschränkung des Landtages und 
Kompetenzerweiterung des Reichsrates nicht einmal eines (Landes-) 
Gesetzes bedürfen! Ein bloßer „Antrag“, d. h. offenbar ein Beschluß 
des Landtages war für genügend angesehen. Des weiteren muß daraus 
aber auch geschlossen werden, daß die Verfasser des Oktoberdiploms 
zumindest der Meinung waren, den Landtagen keine Kompetenz- 
Kompetenz eingeräumt zu haben, sonst hätte es ja dieser Bestim- 
mung nicht bedurft. Ob die Absicht in dem tatsächlichen Texte 
des Diploms mit juristisch tauglichen Mitteln realisiert wurde, ist 
eine andere Frage. Sicher ist, daß die zweifellos vorhandene Ab- 
sicht, die Kompetenz des Reichsrates, wie sie einmal im Oktober- 
diplom festgelegt war, sei in Hinkunft nicht einzuschränken, sondern 
höchstens auszudehnen, äußerst ungeschickt zum Ausdruck gebracht 
wurde. Denn man konnte — mit Rücksicht auf die vorhandenen 
föderalistischen Tendenzen — die Kompetenzhoheit des in seiner ma- 
teriellen Kompetenz auf ein Existenzminimum beschränkten Reichs- 
rates nicht aussprechen, konnte aber auch nicht den Schein der 
Möglichkeit vermeiden, daß den Landtagen diese Kompetenzhoheit 
allein zukomme. Da man die staatsrechtlichen Konsequenzen der 
letzteren Konstellation nicht hätte akzeptieren können, wäre nur
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.