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menden faktischen Herrschaftsorganisation durfte zur Ausfüllung
der wesentlichen Lücken, die in der neuen Rechtsordnung gelassen
wurden, von rechtswegen nicht herangezogen werden.
Die Beobachtung einer rein juristischen Methode wird frei-
lich fast unmöglich gemacht, wenn man auf Grund des Fe-
bruarpatentes das Verhältnis zwischen Reichs- und Landesgesetz-
gebung zu bestimmen versucht. Fragt man zunächst, ob eine ge-
genseitige Koordinierung oder Subordinierung beider normsetzen-
den Autoritäten konstituiert wurde, muß man feststellen, daß in
den Bestimmungen des Februarpatentes keine Spur irgend einer
Ueber- oder Unterordnung zwischen Reichsgesetzgebung und Lan-
desgesetzgebung zu konstatieren ist. Davon, daß die eine als Dele-
gat der anderen erscheint, kann keine Rede sein. Nur in einem
speziellen Falle, wenn nämlich ein Landtag beantragt, daß eine
in seine Kompetenz fallende Angelegenheit durch den Reichsrat
hehandelt werde ($ 11 des Grundgesetzes über die Reichsvertre-
tung): in diesem, allerdings nur in diesem: besonderen Falle er-
scheint der Reichsgesetzgeber als Delegat des Landesgesetzgebers.
Es mag zweifelhaft sein, ob sich die Begründer des Konsti-
tutionalismus darüber klar waren, daß in einem einheitlichen Staats-
wesen zwei völlig paritätische Gesetzgebungszentren keinen Raum
haben können. Sicher ist, daß das Februarpatent die Reichsge-
setzgebung wie die Landesgesetzgebung als oberste souveräne, d. h.
mit Kompetenzhoheit ausgestattete normsetzende Autoritäten etabliert
hat. Das juristische Kriterium der Kompetenz-Kompetenz liegt
für eine normsetzende Autorität darin, daß die ihre Kompetenz
begrenzende Norn — falls eine solche überhaupt besteht — nur durch
eine selbstgesetzte Norm abgeändert werden kann. Entsteht eine
normsetzende Autorität auf rein faktischem Wege, dann ist die
Kompetenzhoheit mangels jeder übergeordneten Autorität von selbst
gegeben. Ist aber speziell eine rechtsetzende Autorität durch eine
andere in Form Rechtens eingesetzt, an deren Stelle gesetzt, dann
ist diese in Form Rechtens eingesetzte als oberste, souveräne und