Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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Standpunkt desGrundgesetzes über die Reichsverfassung im Reichsrate, 
vom Standpunkte der Landesverfassung in dem betreffenden Land- 
tage bedarf. Erfüllt aber ein Reichsgesetz oder ein Landesgesetz 
diese erschwerende Bedingung, dann ist es — und zwar vom Stand- 
punkte der Landesverfassung nur das erste, vom Standpunkt der 
Reichsverfassung nur das zweite — durchaus verfassungsmäßig. 
Dagegen ist das die Kompetenzgrenze zwischen Reichs- und Lan- 
desgesetzgebung überschreitende, vom Staudpunkt der Reichsver- 
fassung durchaus korrekte Reichsgesetz vom Standpunkt der Lan- 
desverfassung ungültig, da dieser zufolge jede Aenderung dieser 
Grenze nur durch qualifiziertes Landesgesetz möglich ist. Und 
das Analoge gilt von einem die durch das Februarpatent gezogene 
Kompetenzgrenze überschreitenden Landesgesetz vom Standpunkte der 
Reichsverfassung aus. Von einer Anwendung des Interpretations- 
grundsatzes lex posterior derogat priori kann im Verhältnis zwischen 
Reichs- und Landesgesetzen nach diesen klaren Bestimmungen des 
Februargesetzes gar keine Rede sein. Denn widerspricht ein jünge- 
res Reichsgesetz einem gültigen älteren Landesgesetze, dann muß 
es in die Kompetenz der Landesgesetzgebung eingegriffen haben 
und ist als Reichs gesetz vom Standpunkte der Landesverfassung 
verfassungswidrig, wenn es auch vom Standpunkte der Reichsver- 
fassung, falls es den die Reichskompetenzänderung betreffenden 
Bestimmungen des $ 14 Grundgesetzes über die Reichsvertre- 
tung entspricht (oder eine verfassungsmäßige Kompetenzerwei- 
terung vorangegangen ist), ein einwandsfreier ist. Das zur Be- 
obachtung oder Anwendung der Gesetze verpflichtete Subjekt 
(Untertan oder Staatsorgan) steht vor einem rechtslogisch un- 
lösbaren Pflichtenkonflikt, der durchaus analog demjenigen ist, 
in dem man sich gegenüber einer Kollision von Rechts- und 
Moralnormen, oder Rechtsnormen verschiedener und gegenseitig 
unabhängiger Staaten befindet. Man steht vor der durch kein 
Juristisches Moment determinierten Wahl zwischen zwei Au- 
toritäten, von denen man der einen nicht gehorchen kann ohne
	        
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