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dem anderen heute noch ausschließlich beanspruchte Gebiet ausdehnen.
Denn die Kompetenzhoheit steht nach wie vor dem Landes- und
dem Reichsgesetzgeber zu. Für den letzteren hat sie das abgeänderte
Reichsvertretungsgesetz nunmehr im $ 15 Abs. 7 womöglich noch
schärfer als vordem festgesetzt. Angesichts dieser beiderseits be-
stehenden Kompetenzhoheit bedeuten die Kompetenzeinschränkun-
gen, die sich der Reichsgesetzgeber im Grundgesetz über die
Reichsvertretung, die Landesgesetzgeber in den Landesordnungen
auferlegt haben, juristisch nichts anderes, als daß Gesetze über
Materien außerhalb dieser Grenzen nur unter der Garantie von
Reichs- resp. Landesverfassungsänderungen zu erlassen seien. Bei
einem Konflikt zwischen Reichs- und Landesgesetzgeber gilt eben
vom Standpunkt der Reichsverfassung das Reichsgesetz, vom
Standpunkt der Landesverfassung das Landgesetz. Das der Rechts-
ordnung unterworfene Subjekt steht vor einem rechtslogisch un-
lösbaren Pflichtenkonflikt. Wie schon früher ausgeführt, kann
zwischen Normen souveräner, mit Kompetenzhoheit begabter ge-
genseitig unabhängiger Legislativen der Grundsatz lex posterior
derogat priori als rechtslogisches Prinzip keine Anwendung finden.
Dies alles ist Rechtens, sofern man sowohl das Grund-
gesetz über die Reichsvertretung als auch die Landesordnungen
samt ihrer gemeinsamen Basis, dem Februarpatent, als gültige Nor-
men voraussetzt. Tatsache dagegen ist, daß man zwar das
Februarpatent mit seinen zum Teile abgeänderten Beilagen als
gültige Norm vorauszusetzen behauptet, daß mıan aber dennoch
durch das Reichsgesetz, wodurch das Grundgesetz über die Reichs-
vertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, nicht bloß die
Kompetenz des Reichsrates, sondern auch die der Landtage für
gültig abgegrenzt ansieht, so daß insbesondere die Landtage selbst
dieses von der Reichsgesetzgebung ihnen zugewiesene Gebiet mit
einfachen Landesgesetzen regeln, ohne eine Verfassungsänderung
für notwendig zu erachten. Tatsache ist ferner, daß, im Falle
ein Reichsgesetz einem Landesgesetz widerspricht oder umgekehrt,