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schaft des St. Petersburger Appellhofes, den Abgeordneten ULJANOFF
durch Unterschrift eines Reverses zum Nichtverlassen der Stadt
Petersburg zu verpflichten. einen überaus stürmischen Protest der
Reichsduma hervor. Diese Maßnahme der Staatsanwaltschaft wurde
in der Reichsdumasitzung vom 6. Juni 1906 von seiten vieler Ab-
geordneten sehr scharf kritisiert *?, und ohne wesentlichen Wider-
spruch eine Resolution angenonnmen, die die Handlungsweise der
Staatsanwaltschaft und Polizei als ungesetzlich anerkannte. Der
Gedankengang aller Redner war, daß die Art. 15 und 16 sich
gegenseitig ergänzen und daß deshalb zu einer jeden Freiheits-
beschränkung, als einer Art der Freiheitsentziehung, die Geneh-
migung der Duma erforderlich sei.
Der Senat, dem diese Frage auf Ordre des Justizministers
unterbreitet wurde, entschied aber anders. Das Kriminalkassations-
departement sprach sich in der Entscheidung vom 16. Oktober
1906 (Nr. 20) dahin aus, daß es einer vorhergehenden Geneh-
migung der Reichsduma nur zur Entziehung der Freiheit bedürfe,
aber nicht zu Maßnalımen, die die Freiheit der Abgeordneten bloß
beschränken, zu deren Gesetzlichkeit das Vorhandensein einer ent-
sprechenden Verfügung der richterlichen Gewalt vollauf genüge.
Der Senat hat somit die Frage richtig gestellt und richtig
beantwortet. Nach dem oben Dargelegten ist es klar, daß die
Identifizierung des Art. 15 und 16 in bezug auf ihren Inhalt durch
die Duma auf einem Irrtum beruhte.
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Unter demselben Gesichtspunkte muß auch die andere Frage
betrachtet werden, die eine scharfe Kollision der Dumamajorität
mit der Regierung veranlaßte, ob nämlich Durchsuchungen in von
Abgeordneten eingenommenen Räumen zulässig sind oder nicht.
In der Reichsdumasitzung vom 7. Mai 1906 wurden von 31
Abgeordneten zwei dringliche Erklärungen darüber eingereicht,
?8® Die Debatten siehe in den Stenogr. Ber. 1906, B. II, Sp. 1197.