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daß am 5. desselben Monats auf Anordnung des St. Petersburger
Stadthauptmanns beim Abgeordneten OHSOL eine Durchsuchung
stattgefunden habe; hierbei seien einige der Abgeordneten, die sich
in OHSOLs Wohnung befunden hätten, persönlich durchsucht und
sämtliche Anwesenden mehrere Stunden lang von den Polizeibe-
amten festgehalten worden”. Dieses bot die Grundlage zu einer
dringlichen Interpellation wegen ungesetzmäßiger Handlungen der
Regierungsgewalt’®.
Eine formelle Antwort der Regierung auf diese Interpellation
erfolgte nicht, da die Duma den 3. Juni aufgelöst wurde; daß
diese Antwort negativ gelautet hätte, unterliegt wohl keinem
Zweifel ?°,
In der Tat stellt eine Haussuchung zweifellos keine Frei-
heitsentziehung vor. Dieses könnte bis zu einem gewissen
Grade in den Staaten, wo die belgisch-französische Formel der
Unantastbarkeit sich Geltung verschafft hat, bestritten werden;
dort aber, wo dieses Privileg die Abgeordneten nur vor der Haft
schützt. ist es unbrstreitbar; denn eine Haussnchung kann an sich
unter keine Art der Freiheitsentziehung rubriziert werden °”.
Das Erzwingen der Anwesenheit des Wohnungswirtes und
der sich zurzeit bei ihm befindenden Abgeordneten bei der Durch-
suchung kann jedoch kaum als richtig und gesetzlich anerkannt
werden. Hierin hatten die Initiatoren der Interpellation in Sachen
OHSOL vollkommen Recht. Die Ordre des St. Petersburger Stadt-
hauptmanns enthielt weder eine Verfügung die in OHSOLs Woh-
nung etwa angetroffenen Reichsdumamitglieder, wenn auch nur
zeitweilig, festzuhalten, noch konnte sie eine solche enthalten,
?* Stenogr. Ber., 2. Session, B. II. Sp. 203 ff.
25 Ibid., Sp. 252.
26 Jn der Reichsdumasitzung vom 7. Mai gaben sowohl der Minister-
präsident als auch der Justizminister Erklärungen zur Deklaration ab, von
beiden wurden die Handlungen der Polizei und der richterlichen Gewalt
für vollkommen richtig anerkannt.
2? Sie. v. RAISon, loc. cit., 140; FOIXITzKY, loc. eit., B. I, 307.