Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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sich in diesem Falle um eine Entziehung resp. Beschränkung der 
Freiheit handelt, die von der richterlichen Gewalt ausgeht. In 
diesem Sinne entschied auch der Senat im Jahre 1907 die in praxi 
einige Zweifel erregende Frage, ob die Ergreifung in flagrante 
eines Abgeordneten durch Polizeibeamte gesetzlich sei®®. 
Außer der Ergreifung am Tatorte setzt Art. 16 noch eine 
andere Ausnahme fest, die dem westeuropäischen Rechte vollkom- 
men unbekannt ist: ohne die Genehmigung der Kammer kann 
einem Abgeordneten die Freiheit auch dann entzogen werden, 
wenn er auf dem in Art. 22 des Reichsdumastatutes angegebenen 
Wege zur Verantwortung gezogen wird, d. h. für strafbare Hand- 
lungen. die von ihm in der Ausübung oder in Veranlassung der 
Ausübung der aufihn, kraft seines Berufes lastenden Pflichten be- 
gangen wurden. Die Motive, die die Verfasser des Reichsduma- 
statutes zur Aufnahme dieser Bestimmung geführt haben, sind, 
aller Wahrscheinlichkeit nach, in der besonderen Art der Straf- 
verfolgung wegen der erwähnten Verbrechen, wie sie in Art. 87 
bis 95 des Reichsratsstatutes festgesetzt ist, zu suchen. 
X. 
Bei der Beratung der Vorstellungen der Regierung, die die 
Erteilung der Genehmigung zur Verhaftung eines Abgeordneten 
betreffen, ist der Duma nach allen Richtungen hin Freiheit ge- 
geben. Sie ist durchaus nicht gebunden, sich nur mit der for- 
3° Entscheidung des Kriminalkassationsdepartements, Nr. 19: „Eine 
andere Interpretation der Art. 15 u. 16 des Statutes der Reichsduma, die 
nämlich, als ob die Verhaftung eines Reichsdumamitgliedes, das bei der 
Ausführung eines Verbrechens betroffen wurde, nur auf Grund einer Ver- 
fügung des Untersuchungsrichters erfolgen könne, würde nur dahin führen, 
daß das durch das Gesetz festgesetzte Recht, ein Reichsdumamitglied 
ohne vorherige Genehmigung durch die Duma bei der Ausführung der Tat 
zu verhaften, unverwirklichbar würde und jegliche praktische Bedeutung 
verlöre, da Fälle, in denen ein Untersuchungsrichter bei der Ausführung 
eines Verbrechens durch einen Abgeordneten persönlich zugegen ist und 
ihn faktisch sofort verhaften kann, kaum denkbar sind.“
	        
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