— 296 —
den neuen Paragraphen des Gesetzes und der Vollzugsverordnung, die, wie
Ref. bekannt, hauptsächlich sein Werk sind. Dem Verfasser der meisten
Gesetze, überhaupt dem Beamten. flicht die Nachwelt keine Kränze; darum
sei auch diese Urheberschaft rühmend hervorgehoben. Auch SCHENKEL
war Gesetzgeber und Erläuterer zugleich. In beiden Punkten reiht sich
das Werk des Verfassers höchst würdig seinem großen Vorbilde an.
Kiel. a.0. Prof. Dr. Walter Jellinek.
Dr. jur. Carl Schmitt, Gesetz und Urteil. Eine Untersuchung zum
Problem der Rechtspraxis. Berlin 1912. Verlag von Otto Liebmann.
VII u. 129 Seiten. — Preis 3,50 M.
„Die entscheidende Frage“, so beginnt die Abhandlung, „ist die: wann
ist eine richterliche Entscheidung richtig?“ Das vierte Kapitel (S. 71)
gibt die Antwort darauf. „Eine richterliche Entscheidung ist heute dann
richtig, wenn anzunehmen ist, daß ein anderer Richter ebenso entschieden
hätte. ‚Ein anderer Richter‘ bedeutet hier den empirischen Typus des
modernen rechtsgelehrten Juristen.“ Damit wendet sich Verf. einerseits
gegen jene Auffassung, die das subjektive Rechtsgefühl des Richters zur
Rechtsquelle erhebt. „Nicht in der Subjektivität des Richters liegt das
Kriterium der Richtigkeit einer Entscheidung; es ist von ihm als Einzelnem
gänzlich unabhängig. Darüber, ob eine Entscheidung richtig ist, entschei-
det die Praxis selbst! Sie hat ihr spezifisches Kriterium“ (S. 100). Ander-
seits bekämpft er die Lehre vom Willen des Gesetzgebers, von der Lücken-
losigkeit der Rechtsordnung, von den üblichen Auslegungsregeln (8. 15 f.,
22 ff.). „Man darf die Frage: wann ist richtig entschieden? nicht mit der
Frage: wann ist richtig interpretiert? identifizieren“ (S. 11). Die gebräuch-
lichen Auslegungsmittel sind aber nicht wertlos. Nur als Mittel zur Er-
forschung des gesetzgeberischen Gedankens besitzen sie keine Maßgeblich-
keit. Sofern sich aber der Richter ihrer bedient, um festzustellen, wie
wohl der typische Richter entscheiden würde, fehlt ihnen, fehlt dem po-
sitiven Recht die Daseinsberechtigung durchaus nicht. „Weil die glatte
Subsumtion unter ein Gesetz das sicherste Mittel ist, un die Gewißheit zu
begründen, ein anderer Richter hätte ebenso entschieden, deshalb ist die
Entscheidung, die im Anschluß an den einleuchtenden Inhalt des Gesetzes
ergeht, immer richtig“ (8. 87). Seinen Leitsatz gewinnt Verf. aus der zu-
treffenden Erwägung, daß eines der Haupterfordernisse des Rechts die
„Rechtsbestimmtheit“ sei (8. 46 fi... Es widerstrebt uns, daß gleichge-
lagerte Fälle ungleich sollten entschieden werden dürfen. Eben deshalb
müsse ein Richter so entscheiden wie der typische Richter.
Die Schrift, die noch eine Fülle feiner Bemerkungen über den Zweck
der Eintscheidungsgründe (S. 82 ff.), der kollegialen Besetzung des Gerichts
(S. 72 ff.), des Instanzenzuges (8. 76 f.) enthält, ist sehr fesselnd geschrie-