Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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den neuen Paragraphen des Gesetzes und der Vollzugsverordnung, die, wie 
Ref. bekannt, hauptsächlich sein Werk sind. Dem Verfasser der meisten 
Gesetze, überhaupt dem Beamten. flicht die Nachwelt keine Kränze; darum 
sei auch diese Urheberschaft rühmend hervorgehoben. Auch SCHENKEL 
war Gesetzgeber und Erläuterer zugleich. In beiden Punkten reiht sich 
das Werk des Verfassers höchst würdig seinem großen Vorbilde an. 
Kiel. a.0. Prof. Dr. Walter Jellinek. 
Dr. jur. Carl Schmitt, Gesetz und Urteil. Eine Untersuchung zum 
Problem der Rechtspraxis. Berlin 1912. Verlag von Otto Liebmann. 
VII u. 129 Seiten. — Preis 3,50 M. 
„Die entscheidende Frage“, so beginnt die Abhandlung, „ist die: wann 
ist eine richterliche Entscheidung richtig?“ Das vierte Kapitel (S. 71) 
gibt die Antwort darauf. „Eine richterliche Entscheidung ist heute dann 
richtig, wenn anzunehmen ist, daß ein anderer Richter ebenso entschieden 
hätte. ‚Ein anderer Richter‘ bedeutet hier den empirischen Typus des 
modernen rechtsgelehrten Juristen.“ Damit wendet sich Verf. einerseits 
gegen jene Auffassung, die das subjektive Rechtsgefühl des Richters zur 
Rechtsquelle erhebt. „Nicht in der Subjektivität des Richters liegt das 
Kriterium der Richtigkeit einer Entscheidung; es ist von ihm als Einzelnem 
gänzlich unabhängig. Darüber, ob eine Entscheidung richtig ist, entschei- 
det die Praxis selbst! Sie hat ihr spezifisches Kriterium“ (S. 100). Ander- 
seits bekämpft er die Lehre vom Willen des Gesetzgebers, von der Lücken- 
losigkeit der Rechtsordnung, von den üblichen Auslegungsregeln (8. 15 f., 
22 ff.). „Man darf die Frage: wann ist richtig entschieden? nicht mit der 
Frage: wann ist richtig interpretiert? identifizieren“ (S. 11). Die gebräuch- 
lichen Auslegungsmittel sind aber nicht wertlos. Nur als Mittel zur Er- 
forschung des gesetzgeberischen Gedankens besitzen sie keine Maßgeblich- 
keit. Sofern sich aber der Richter ihrer bedient, um festzustellen, wie 
wohl der typische Richter entscheiden würde, fehlt ihnen, fehlt dem po- 
sitiven Recht die Daseinsberechtigung durchaus nicht. „Weil die glatte 
Subsumtion unter ein Gesetz das sicherste Mittel ist, un die Gewißheit zu 
begründen, ein anderer Richter hätte ebenso entschieden, deshalb ist die 
Entscheidung, die im Anschluß an den einleuchtenden Inhalt des Gesetzes 
ergeht, immer richtig“ (8. 87). Seinen Leitsatz gewinnt Verf. aus der zu- 
treffenden Erwägung, daß eines der Haupterfordernisse des Rechts die 
„Rechtsbestimmtheit“ sei (8. 46 fi... Es widerstrebt uns, daß gleichge- 
lagerte Fälle ungleich sollten entschieden werden dürfen. Eben deshalb 
müsse ein Richter so entscheiden wie der typische Richter. 
Die Schrift, die noch eine Fülle feiner Bemerkungen über den Zweck 
der Eintscheidungsgründe (S. 82 ff.), der kollegialen Besetzung des Gerichts 
(S. 72 ff.), des Instanzenzuges (8. 76 f.) enthält, ist sehr fesselnd geschrie-
	        
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