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Forderung einer Entscheidung allein nach rechtlichen Gesichtspunkten, wie
W. dies tut, auf die Form der Forderung der Umwandlung der Schieds-
gerichtsbarkeit in eine echte Gerichtsbarkeit zu bringen, so kann doch
andererseits dies die prinzipielle materielle Richtigkeit der von W. er-
hobenen Forderung nicht berühren. Da weiterhin die Verwirklichung dieser
Forderung wesentlich abhängig ist von der Organisation des Gerichtshofs,
der zur rechtlichen Entscheidung berufen ist — sei es nun, daß man diese
juristisch als Gerichtsbarkeit oder Schiedsgerichtsbarkeit rubriziere —, so
wird die Erörterung dieser Frage, die den Kernpunkt des Werkes bildet,
in ihren Grundlagen nicht berührt, durch die formaljuristischen Bedenken,
die man gegen die systematischen Auffassungen des Verf. haben kann. Im
Gegenteil, es erscheint sogar von dem Standpunkte aus, daß auch das
völkerrechtliche Schiedsgericht nur nach rechtlichen Gesichtspunkten zu
entscheiden hat, der von W. geforderte Schritt in der Rechtsentwicklung
geringer als vom Standpunkte seiner Auffassung aus.
In der Gesamtfrage, wie eine nur nach rechtlichen Gesichtspunkten
entscheidende Gerichtsbarkeit im Haag organisatorisch auszugestalten und
rechtlich zu stützen wäre, ist die erste Unterfrage die der Besetzung des
Gerichtshofes. Hier stellt Verf. zunächst vier negative Gesichtspunkte auf:
es seien zu den Richterstellen nicht zuzulassen: Diplomaten, Staatsangehörige
der streitenden Parteien, von den Parteien ernannte Richter und gelegent-
liche Richter. Ueber die praktische Durchführbarkeit dieser sämtlichen
Grundsätze kann man wieder verschiedener Ansicht sein; das ist jedoch
hier nicht zu erörtern. Vom Standpunkte rechtlicher Logik erscheinen W.s
Postulate im ganzen folgerichtig, doch sind m. E. auch hier einige Bedenken
möglich. Unbedingt richtig erscheint es mir, daß als Richter für einen
völkerrechtlichen Gerichtshof völkerrechtlich gebildete Juristen zunächst
und prinzipiell in Betracht kommen müssen. Aber müssen deshalb die
Diplomaten unbedingt ausgeschlossen sein? Warum sollen nicht die Di-
plomaten als Vertreter des fachmännischen Elements genau so gut in einem
völkerrechtlichen Gerichtshof denkbar sein, als z. B. die dem Kaufmanns-
stande entnommenen Laienrichter in der Kammer für Handelssachen unserer
Landgerichte? Rein juristische Bedenken scheinen mir gegen die Aus-
schließung der Staatsangehörigen zu sprechen. Haben wir nicht täglich
Fälle, in denen in der ordentlichen sowohl, wie in der Verwaltungsgerichts-
‚barkeit, Angehörige eines Staats über dessen Ansprüche zu Gericht sitzen
und beruht nicht diese Tatsache gerade auf demselben juridischen Ge-
danken der Fähigkeit des Staats, sich selbst rechtlich zu binden, auf dem
allein sich das ganze Völkerrecht aufbaut? Wäre daher einerseits m. E. die
Ausschließung der Staatsangehörigen von der Rechtsprechung über An-
sprüche seines Staates in einem internationalen Gerichtshof eine rechtliche
Anomalie, so ist sie andererseits auch rechtspolitisch bedenklich als Quelle
neuer Schwierigkeiten: wenn von anderer Seite die Ausschließung auch der