— 8305 —
Angehörigen der den Parteien befreundeten Staaten gefordert würde, mit
welchem Rechtsgedanken wollte man die Berechtigung dieser Forderung
widerlegen, und, wenn man sie zulassen wollte, wo wäre dann überhaupt
ein Ende abzusehen? Der vom Verf. propagierten Idee wird m. E. am
besten gedient, wenn ınan den Gegnern der Idee durch möglichste Ein-
schränkung der Postulate möglichst geringe Angriffslächen bietet. Und
das fragliche Postulat ist m. E. sehr wohl entbehrlich, da das Interesse der
Parteien an einer Objektivität der Rechtsprechung durch die Möglichkeit
der Ablehnung hinlänglich gewahrt ist. Auch die positiven Postulate, die
Verf. für die Besetzung eines internationalen Gerichtshofs aufstellt, würden
m.E. durch eine gewisse Einschränkung an Verwirklichungswahrscheinlich-
keit gewinnen. W. geht im Gegensatz zu SCHÜCKING vom Grundsatz der
Gleichheit der Staaten aus und verlangt daher, daß kein Staat mehr EKin-
fluß haben soll auf die Besetzung der Richterstellen als ein anderer. Aber
alle prinzipiellen völkerrechtlichen Erwägungen, die hierfür sprechen mögen,
werden eine Großmacht nie überzeugen, daß sie nicht ein berechtigtes In-
teresse, wie es auch SCHÜCKING Ihnen zuerkennt, daran haben sollen, einen
stärkeren Einfluß auf die Besetzung der Richterstellen zu erhalten als ein
Kleinstaat mit nur '/ıo ihrer Staatsbürgerzahl. Und dies Bedenken wird
auch nicht dadurch beseitigt, daß man rein theoretisch, vom Gesichts-
punkte rechtlicher Organisation aus, die von W. befürwortete Uebertragung
der Richterbestellung an ein „gut bewährtes internationales Kollegium“,
wie den Haager Schiedshof als eine ideale Lösung ansehen zu müssen glaubt.
Aus der Natur eines zu rein rechtlicher Entscheidung berufenen (Gerichts-
hofes hingegen erscheinen zwei weitere rechtsorganisatorische Forderungen
W.s ohne weiteres gerechtfertigt: Unabsetzbarkeit der Richter, die nur einer
besonderen Disziplinarinstanz, nach W. dem Verwaltungsrat des Schiedshofes,
zu unterwerfen sind, und ein beschränktes Ablehnungsrecht der Parteien.
Die von W. geforderte ständige Rechtsanwaltschaft im Hauptberuf halte
ich auch für zweckmäßig und „ehrenvoll genug“ aber: ob sie ein lebens-
fähiges Institut wäre?
Nachdem Verf. in einem weiteren Kapitel dargelegt hat, wie der von
ihm geforderte ständige Gerichtshof auch technische Vorteile habe — näm-
lich größere Schnelligkeit und Billigkeit der Entscheidung — wendet er
sich gegen prinzipielle rechtliche Bedenken, die gegen die befürwortete
Organisation aus dem Gedanken der Souveränität der Staaten abgeleitet
werden könnten. Dabei beweisen seine klar geführten Deduktionen, daß
einerseits zum Begriffe der Gerichtsbarkeit im Völkerrecht eine Exekutions-
gewalt nicht gehöre, und daß andererseits ein nicht mit Exekutionsgewalt
ausgestatteter internationaler Gerichtshof dem Gedanken der Souveränität
der einzelnen Staaten nicht entgegenstehe, m. E. Wahrheiten, die sich ohne
weiteres ergeben aus der Natur des Völkerrechts als einer auf der Fähig-
keit zur rechtlichen Selbstbindung der Staaten und der auf Grund dieser
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXII. 1/2, 20