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prüfbarkeit durch den Richter. Diese Notwendigkeit hat tatsächlich mehrerlei
Sinn im Polizeirecht, da dies sie nie als absolute, sondern nur als relative
Notwendigkeit zur Erreichung der Polizeizwecke ® kennt: einmal den der
allgemeinen Zweckrichtung, zum andern sowohl den der Unentbehrlichkeit
und Zweckdienlichkeit, als den der Verhältnismäßigkeit von Mittel und
Zweck. Im ersten und dritten Sinne ist er ein nachzuprüfender Maßstab
der rechtlichen Gültigkeit der polizeilichen Anordnung, im zweiten Sinne
ist er dies nicht. Dieser Satz des Polizeirechtes wird durch die von dem
Verfasser vorgenommene begriffliche Scheidung zwischen der Frage der
Notwendigkeit und der der Machtüberschreitung durch fehlerhaften Um-
fang des Mittels und Uebermaß überhaupt in interessanter Weise beleuchtet,
doch darf bei aller Anerkennung des „außerrechtlichen“ Interesses an
solcher Beleuchtung wohl bemerkt werden, daß, wiewohl dieses Interesse
auch für den Juristen m. E. nicht nur bestehen kann, sondern auch be-
stehen soll, eine Veränderung der rechtlichen Erkenntnis damit an sich
noch nicht gegeben ist. Wichtig jedoch für die Rechtsanwendung ist die
Tragweite, die Verf. den in jenen von ihm gebildeten Begriffsbildungen
zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken insofern gibt, als er sie nicht
nur auf polizeiliche Verfügungen, sondern auch auf Polizeiverordnungen
anwendet. Dieser Grundsatz ist, wie einige von J. angeführte, aber leicht
zu vermehrende, Beispiele beweisen, in der Praxis des preußischen Rechts
nie zu gebührender Geltung gekommen. — Für die Beurteilung des gelten-
den Rechts sehr beachtenswert erscheinen mir ferner die juristisch klaren
Ausführungen, mit denen sich Verf. gegen die auch meiner Ansicht nach
ganz unhaltbaren Lehren FLEINERS und KORMANNs von der „Anstaltspoli-
zei wendet. Diese Lehren sind m. E. typische Beipiele, der mit reiner
Begriffslogik arbeitenden konstruktiven Methode, wie ich sie oben in
Gegensatz zu der aus dem Leben schöpfenden systematischen Be-
grifisbildung JELLINEKS setzen zu dürfen glaubte: man schafft erst
den Begriff „Anstaltspolizei“ und leitet dann aus ihm einen Rechts-
satz ab, der der Öffentlichen Anstalt polizeiliche Befugnisse gibt. Denn
einen anderen Rechtsgrund für die Befugnisse der sog. Anstaltspolizei
hat man bisher noch nicht nachgewiesen. — Auch in einigen anderen
? Meine gelegentliche Bemerkung, daß der Gedanke der Beschränkung
der Polizeigewalt durch ihre Zwecke schon vor mehr als hundert Jahren
durch G. H. v. BERG ausgedrückt wurde, sollte nur eine Erläuterung für
die Bedeutung dieses Gedankens bilden. Es war daher eine unnötige Mühe-
waltung J.s, wenn er sich gegen die Meinung wendet, die ich nach seiner Mei-
nung „wohl“ gehabt habe, v. BERG sei der erste Vertreter dieses Gedankens.
Uebrigens ist der Gedanke viel älter, er liegt doch schon dem ganzen seit
Mitte des 18. Jhd. in der Rechtswissenschaft schwebenden Streit nach den
Zwecken der Polizei (Sicherheits- oder Wohlfahrtszweck) zugrunde.