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ferner zusammen, daß dem vom angegangenen Strategen mit der dtdAvorg
beauftragten Unterrichter die Befugnis des causam finire fehlt. Beim Miß-
lingen der döw«Avusıg hat der Unterrichter die Sache an den Strategen oder
ein Kollegialgericht zur Erledigung abzugeben.
Der Grundsatz der VUebergabefunktion gestattete dem
Rechtsuchenden nicht nur die zur Entscheidung zuständige, sondern auch
eine Reihe anderer Behörden und Stellen anzugehen, denen alsdann die
Weiterleitung an die über- oder untergeordnete zuständige Stelle oblag.
Den Leitgedanken der Uebergabefunktion zeigt SEMEKA an einem Beispiel
auf, in dem der Rechtsuchende den Komogrammateus zunächst um ein
summarisches Verfahren und nur für den Fall der Leistungsverweigerung
des Beklagten um Weitergabe der Sache an die vorgesetzte Gerichtsstelle
ersucht. „Auch hier begegnet man dem allgemeinen Zug der ptolemäischen
Gerichtsverfassung, der ausgesprochenen Neigung des Volkes, alles zu ver-
suchen, ehe man das Gericht in Anspruch nimmt.“
Die Rivalität zwischen den autonomen Gerichten
und den Beamtenrichtern zeigt sich in einem nie völlig beseitig-
ten Prozeßwahlrecht der Parteien. In einer und derselben Sache kann der
Kläger sowohl bei dem Beamtenrichter, wie auch bei dem autonomen Chre-
matisten- oder Laokritengericht klagen.
Unter steter Betonung dieser drei Grundgedanken verarbeitet SEMEKA
das vorhandene Urkundenmaterial zu einem mit anerkennenswerter Zurück-
haltung in den Behauptungen aufgestellten Abriß des ptolemäischen Ge-
richtsverfahrens,
Wir lernen in dem ptolemäischen Aegypten ein mit besonderer „Milde“
regiertes Staatswesen kennen. Die Fortdauer alter patriarchalischer Sitten
zeigt sich in der Einfachheit der Beziehungen, die Volk und Obere ver-
binden. Rechtlich kann sich der ärmste Bauer wegen eines gestohlenen
Esels an den König selbst wenden, mag auch tatsächlich die Eingabe den
König nicht erreichen.
Der Grundgedanke, daß der König selbst nicht bloß Gerichtsherr, son-
dern auch oberster Richter seines Volkes ıst, kommt darin zum Ausdruck,
daß die Eingaben meist auf den Namen des Königs lauten und, falls sie
an ihn selbst gebracht werden, von ihm persönlich oder von hohen Be-
amten der königlichen Kanzlei mit bedingten oder unbedingten Befehlen
zur Entscheidung weiter gegeben werden. Eine strenge Scheidung zwi-
schen Zivilrechts- und Verwaltungssachen ist hiebei nach SEMEKA nicht
festzustellen.
SEMEKAs Behandlungsweise erinnert bisweilen an RUDOLF HiIrzELs
geistreiches Werk: Themis, Dike und Verwandtes, das über die Grenzen
von Zeit und Nation hinweg Zusammenhang oder Parallelismus der Ideen
aufdeckt. Als Beispiel diene das Kapitel über das Konsilium des Beamten-
richters. "