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Gesellschaft Jesu im ganzen Deutschen Reiche, in allen deutschen Bundes-
staaten festen Fuß fassen und die bis dahin verbotene Ordenstätigkeit ent-
falten können? Oder bildeten dagegen etwaige landesgesetzlichen Vor-
schriften, die in einem gewissen Staate und für dessen Gebiet eine Ordens-
tätigkeit der Jesuiten verboten, immer noch ein Hindernis für solche Ordens-
entfaltung?
Mit überzeugender Gründlichkeit hat der Verfasser alle einschlügigen
Fragen gelöst. Zum Ausgangspunkt seiner Untersuchungen nimmt er den
Artikel 2 der Reichsverfassung und dessen Wirkung auf die Landesgesetze.
Dem Passus dieses Artikels: „daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen
vorgehen‘, gibt er nach Würdigung aller Momente für und wider die Aus-
legung, damit wolle nur gesagt werden, daß das Reichsrecht dem Landes-
rechte vorgehe, nicht aber, daß das Reichsrecht das Landesrecht auf-
hebe. Reichsrecht und Landesrecht beständen nach Artikel 2 der Reichs-
verfassung als zwei in sich geschlossene Gebiete nebeneinander fort, das
Reichsrecht sei an erster Stelle anzuwenden und das Landesrecht nur dort
heranzuziehen, wo das Reichsrecht eine Gasse offen lasse. Erweitere es
aber diese Gasse, d.h. beseitige es die Regelung eines Punktes, den es
bisher geregelt hatte, so stehe der Anwendung des Landesgesetzes nichts
mehr im Wege. Das Landesrecht sei wieder frei geworden. Wollte das
Reichsrecht etwaiges Landesrecht aufheben, so müßte das mit klaren Worten
geschehen oder sich im Einzelfalle aus besonderen Anhaltspunkten ergeben.
Uebergehend zum Jesuitengesetze selbst prüft der Verfasser unter An-
wendung der gewonnenen Ergebnisse die Wirkung, welche das Jesuiten-
gesetz bei seinem Erlasse auf das Landesrecht hatte. Er betont, daß beim
Erlasse dieses Gesetzes von keiner Seite eine Erweiterung der Reichskom-
petenz beabsichtigt war noch auch eine solche tatsächlich eingetreten sei,
indem etwa das Gesetz rechtliche Folgen gehabt hätte, deren sich die
Gesetzgeber nicht bewußt waren. Geleitet von der richtigen Erwägung,
daß gerade beim Jesuitengesetze eine rein abstrakte Betrachtung nicht zu
einer richtigen Erkenntnis seines Willens führen könne, diese gesetzgebe-
rische Maßregel vielmehr in ihrem inneren Zusammenhange mit den anderen
Vorgängen jener Zeit gewertet werden müsse, entwirft der Verfasser ein
anschauliches Bild von der sozialen Durchschnittsauffassung jener Zeit über
die ganze Jesuitenfrage, indem er die in dieser Sache an den Reichstag
gerichteten Petitionen bekannt gibt und die bei ihrer Beratung in der
Petitionskommission sowie im Plenum des Reichstags geäußerten Meinungen
mitteilt. Daraus gewinnt der Verfasser das Ergebnis, daß die tiefere gesetz-
geberische Unterlage für das Jesuitengesetz in dem Sehnen nach religiösem
Frieden und in der Notwendigkeit zu finden sei, das Reich gegen die Ge-
fahr zu verteidigen, daß die in der Bulle Unam sanctam dereinst und im
Syllabus neuerdings festgelegten Uebergriffe der katholischen Kirche von
den Untertanen auf Grund der von den Jesuiten nunmehr zur Herrschaft