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gründe eine staatliche Verpflichtung zu Leistungen für alle kirch-
lichen Bedürfnisse, auch für die im Laufe der Zeit steigenden.
Keinem Staat ist es eingefallen, da, wo es sich darum handelte, seine Lei-
stungspflicht auf Grund des Artikels 35 gegenüber der Kirche auf landes-
gesetzliche und erst damit für ihn verbindliche Grundlage zu
stellen, diese Pflicht in dem weiten, vom Verfasser behaupteten Sinne auf-
zufassen und seinen gesetzgeberischen Maßnahmen zugrunde zu legen. Das
von SÄGMÜLLER gebrachte Material zur Begründung seiner Auffassung ent-
hält keine beweisbehelflichen, insbesondere keine rechtlichen Grundlagen.
Insbesondere nicht die in den Denkschriften des Episkopats der oberrhei-
nischen Kirchenprovinz vom Jahre 1851 und 1853 niedergelegten kirch-
lichen „Wünsche“. Ebensowenig aber auch die Abmachungen der im Frühjahr
1818 zu Frankfurt a. M. zusammengetretenen Abgesandten einer Anzahl
deutscher Staaten, die nie rechtliche Bedeutung für jene Staaten erlangten.
Auch in dem vom Verfasser ausführlich behandelten Beispiel des württenı-
bergischen Staates lassen sich m. E. keine üherzeugenden Momente für eine
rechtliche steigende Leistungspflicht des Staates finden.
Schließlich scheint mir auch das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
einer anderen Lösung dieser Frage zuzusteuern. Statt auf längst veraltete
Grundlagen zurückzugreifen, die doch keine nachhaltige Stütze und Deckungs-
quelle für die stetig wachsenden kirchlichen Bedürfnisse zu bieten ver-
mögen, geht man daran, die kirchliche Finanzfrage dem heutigen Zustande
anzupassen, der keine Bindung der Deckungsfrage an Grund und Boden
verträgt, da dessen Renten mit der Steigerung der kirchlichen Bedarfe doch
nicht Schritt halten könnten. Der Staat stellt die Kirche wieder auf eigene
Füße, verleiht ihr aber nicht Grund und Boden, sondern eine moderne
Kirchengemeindeverfassung mit dem Rechte der Selbstverwaltung und der
Finanzgewalt gegenüber ihren Mitgliedern. Auf solche Weise wird
die Kirche auch unabhängig vom Staate und gewinnt dabei eine größere
Bewegungsfreiheit und Leistungsfähigkeit, als ihr durch eine Rückkehr zu
den Zuständen vor der Säkularisation — selbst unter den günstigsten Ver-
hältnissen und Bedingungen — je zuteil geworden wäre.
Speyer am Rhein. Dr. Hellmuth.
Oelrichs-Günther, Die Domänen-Verwaltung des Preußischen
Staates. Begründet von H. OELRICHS. 5. Auflage, herausgegeben
von Dr. jur. P. GÜNTHER, Oberregierungsrat. Breslau 1913. J. U.
Kerns Verlag (Max Müller). 691 S. M. 18.—.
Das Buch ist zum praktischen Gebrauche für Verwaltungsbeamte und
für Domänenpächter bestimmt. Es gibt eine erschöpfende Uebersicht der
für die preußische Domänenverwaltung geltenden Bestimmungen nach dem
neuesten Stande, insbesondere über die Benutzung und die Veräußerung