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auf die Zusammensetzung, Berufung und Stellung des neuzuschaffenden
Senates,. Er zieht Parallelen, ob und wie weit sich Analogien zwischen dem
im Sturm der Jahrhunderte erprobten englischen Parlamentssystem und der
projektierten irischen Parlaments-Verfassung finden, bzw. bilden lassen.
Er vergleicht geschickt das ius scriptum mit dem aus der inveterata con-
suetudo resultierenden Recht. Besunders die Prävalenz des Unterhauses,
ein Zeichen der Neuzeit, wird den Staatswissenschaftler interessieren, indes
sind (S.4) gerade in Sachen des Etats dem Oberhause Rechte gegeben, die
man auf dem Kontinente vergeblich sucht, und die das generelle Ueber-
gewicht des „house of commons“ über den Senat schier egalisieren.
Aehnlich wie in Baden hat man, wie man aus dem Werke erfährt, in
Irland gemischtes Wahlrecht zur zweiten Kammer (teils Einzelwahlkreise,
teils Proporz). Auch der Proporz, das aristokratischste Wahlrecht, wie es
MENDELSSOHN BARTHOLDY stolz betitelt, drückt der irischen Senatswahl,
also der Wahl zur ersten Kammer seinen Stempel auf.
Man bedenke Proporzwahlen der breiten Volksschichten zur ersten
Kammer! Bis ins einzelne geht der Verfasser mit der Besprechung der Art
des Proporzes; wir vernehmen, daß außer dem Faktum der Proporzwahl
das Gesetz selbst über System, Ausführung und Vollzugsbestimmungen nichts
enthält. Wir sehen ausschauend die Konsequenz, die sich für einen Par-
teiführer ergibt, den Sitz im Senat dem in der auflösbaren Kammer vor-
zuziehen ; selbst das von MENDELSSOHN BARTHOLDY treftlich charakterisierte
Bild einer Proporzwahl eines Abgeordneten findet Besprechung (8. 16).
Wie das kombinierte Verhältnis zum Westminster-Parlament beeinflußt
wird, ersieht der Leser gleichfalls aus der interessanten Broschüre. Spe-
ziell die Stellung des Lord-Leutnants im Senat sede vacante ist wissens-
wert. Das Gesetz hat so äußerlich verschlungene Wege gewählt, daß man
schier von einer Verlegenheitsvorlage sprechen kann. Speziell die Ueber-
gangszeit ist interessant. Berufung, Amtsdauer, letztere unbeeinflußt von
der Auflösung des Unterhauses findet erschöpfende Besprechung. Drastisch
ist besonders die Hervorhebung der Gegensätze (S. 18ff.) zwischen einst
und jetzt der ersten Kammer. Besonderes Verdienst hat sich zweifellos
der Verfasser dadurch erworben, daß er die wenig bekannten südafrika-
nischen ($. 22), finnländischen und norwegischen (S. 26) Parlamentsverhält-
nisse rechtsvergleichend herangezogen hat. Besonders die Nutzanwendung
aus diesem Rechtsvergleich findet Beachtung.
Zielen wir ein Fazit unserer Besprechung, so ist nicht zu verkennen,
daß die äußerlich kleine Broschüre eine große Menge wissenswerten Mate-
rials erschließt und insoferne eine wertvolle Bereicherung der deutschen
Staatsrechtsliteratur bildet. Die Diktion weist die dem Verfasser nachge-
rühmte Meisterschaft des Stils auf. Das Buch verdient Empfehlung.
Markus Frh. von Freyberg-Würzburg.