Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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nichtssagende Argument nicht offenkundiger mißbraucht werden 
kann, niemals nichtssagender ist als im vorliegenden Falle Nur 
wenn man das vom Standpunkte einer bestimmten politischen 
Ueberzeugung, nämlich des Zentralismus, wünschenswerte Resultat 
als allgemeingültig voraussetzt, kann man behaupten, es läge in 
„der Natur der Sache“, daß „die Rechtsmacht über die Kompe- 
tenz nur der Reichsgesetzgebung zusteht“ ?®®., Vom Standpunkte 
des Föderalismus entspricht zweifellos das Gegenteil der Natur 
der Sache, nämlich die ausschließliche Kompetenzhoheit der Län- 
der! Die JELLINEKsche Argumentation ist so recht ein Beispiel 
für die unzulässige Determinierung juristischer Konstruktion durch 
politische Werturteile.e Was aber das andere Argument betrifft. 
der Reichsgesetzgebung stehe darum allein die Kompetenzhoheit 
zu, weil wiederholt durch Reichsgesetz die Kompetenz der Länder 
abgeändert worden sei, so ist dieses Argument, das auch bei an- 
deren Autoren ständig wiederkehrt, kaum ernstlieh aufreeht zu 
erhalten. Denn wenn es sich darum handelt, ob nur dem Reich 
und nicht den Ländern die Kompetenzhoheit zusteht, dann fragt 
es sich ja gerade, ob die Reichsgesetzgebung legaler Weise 
über die Kompetenz der Länder verfügen kann und konnte. Daß 
sie es tatsächlich versucht hat, ist für die Frage, ob sie 
dazu berechtigt war, offenbar gleichgültig; die Frage, ob irgend- 
ein Organ zu irgendeiner Maßregel rechtlich kompetent sei, kann 
nicht durch die Tatsache beantwortet werden, daß dieses Organ 
diese Maßregel tatsächlich getroffen hat. 
Wenn der Reichsrat von 1861 ein Reichsgesetz beschlossen 
hat, durch das die Immunität der Landtagsmitglieder geregelt. 
somit die Landesordnungen ergänzt, d. h. aber abgeändert wurden, 
wenn der Reichsrat von 1867 durch ein Reichsgesetz die Kompetenz- 
grenze zugunsten der Länder neu zu regeln und somit die Landes- 
ordnungen abzuändern suchte, und wenn 1873 durch ein Reichs- 
 A.a.0. 8.28. Vgl. auch TEZNER, Die Volksvertretung, Wien 1912. 
S. 647 ff. u. 242 ff.
	        
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