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gesetz die direkten Reichsratswablen eingeführt, somit denjenigen
Bestimmungen der Landesordnungen widersprochen wurde, die den
Landtagen die Wahl in den Reichsrat einräumen, so mag außer
allem Zweifel stehen. daß der Reichsgesetzgeber zu diesen Normen
kompetent war, sofern sie seine eigene Kompetenz berührten.
Aber ob diese Reichsgesetze auch vom Standpunkte der Landes-
verfassungen gültig waren, das ist durch die Tatsache ihrer
Erlassung nicht bewiesen! Die Frage ist zweifellos vom Stand-
punkte der Landesordnungen zu verneinen, welche mit einer jeden
Zweifel ausschließenden Bestimmtheit ihre Abänderung nur durch
ein Landesgesetz zulassen. Ja wenn erwiesen wäre, daß diese
lteichsgesetze vom Standpunkt der Landesordnungen gültig sind,
dann müßte allerdings vorausgesetzt werden, daß dem Reich die
Hoheit auch über die Kompetenz der Länder zustehe. Konnten
die Landesordnungen durch die fraglichen Reichsgesetze rechtlich
abgeändert werden? Erklärt man: das Reich habe Kompetenz-
hoheit über die Länder, weil Reichsgesetze faktisch in die
Kompetenz der Länder eingegriffen haben, so lehnt man die Frage
nach der Gültigkeit der die Landeskompetenz regelnden Reichs-
gesetze ab. Man setzt als letzte, nicht weiter zu rechtfertigende
Voraussetzung die Gültigkeit gewisser Reichsgesetze für die Lan-
desverfassung, während die Problemstellung: hat das Reich die
Kompetenzhoheit über die Länder? geradezu auf die Gültigkeit
dieser Gesetze gerichtet ist. Man stellt etwas in Frage, um es
dann während der Beweisführung als außer Frage stehend voraus-
zusetzen !
Die Annahme, daß dem Landesgesetzgeber Kompetenzhoheit
ebenso wie dem Reichsgesetzgeber zustehe, läßt sich nur vermei-
den, wenn man den Nachweis erbringt, daß die im $ 38 der Lan-
desordnung dem Landtage eingeräumte Kompetenz, die Landes-
verfassung zu ändern, sich nieht auf die Kompetenzvorschriften
der Landesordnung beziehe. Für einen solchen Nachweis ist je-
doch keinerlei Möglichkeit gegeben. Insbesondere muß der Ver-