Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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Kundmachung, nicht aber das verfassungsmäßige Zustandekommen 
eines Gesetzes vom Gerichte geprüft werden dürfe. Es ist somit 
zwar die Möglichkeit einer Gesetzesnichtigkeit aus for- 
malen, nicht aber aus materiellen Gründen gegeben ®". 
Jede Verletzung der die Publikation betreffenden Vorschriften hat 
Nichtigkeit des Gesetzes zur Folge, nicht aber die Verletzung der 
das Zustandekommen des Gesetzes bis zum Augenblick der Publi- 
kation betreffenden Bestimmungen. Denn jede Prüfung, ob diese 
Bestimmungen im konkreten Falle beobachtet wurden oder nicht, 
wird durch die Verfassung ausgeschlossen. 
Der Wortlaut des Staatsgrundgesetzes über die richterliche 
Gewalt Art. 7 ließe allerdings eine Interpretation zu, derzufolge 
auch eine materielle Gesetzesnichtigkeit als möglich anzuneh- 
men wäre. „Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter 
Gesetze steht den Gerichten nicht zu.“ Der Begriff des Ge- 
setzes ist durch Oktoberdiplom, Februarpatent, Grundgesetz 
über die Reichsvertretung und Landesordnungen festgelegt. Was 
diesem Begriff nicht entspricht, ist überhaupt nicht Gesetz. Was 
aber nicht „Gesetz“ ist, kann niemals als Gesetz gehörig kund- 
gemacht werden. Nur Gesetzen gegenüber fehlt dem Richter 
materielles Prüfungsrecht, nicht aber Scheingesetzen, Pseudoge- 
setzen, Nicht-Gesetzen gegenüber. Der Richter hätte also zu 
prüfen, ob das, was als Gesetz publiziert ist, wirklich ein Gesetz 
im Sinne der Verfassung sei. Damit wäre natürlich der Art. 7 
des Staatsgrundgesetzes über die richterliche Gewalt jedes Sinnes 
und Inhaltes beraubt; obgleich diese Interpretation ın der 
— 
4 In einem gewissen Sinne sind auch die Bestimmungen über das Zu- 
standekommen von Gesetzen, soweit sie sich auf das Stadium vor der Publi- 
kation beziehen, formaler Natur; „materiell“ sind sie nur relativ, in 
bezug auf die Publikationvorschriften. Eine materielle Verfassungs- 
widrigkeit von Gesetzen, im Sinne einer bloß durch den Inhalt des Ge- 
setzes begründeten Verfassungswidrigkeit, ist überhaupt nicht möglich, so- 
fern anch die Verfassung eben abänderbar ist, ihre Abänderung aber an 
bestimmte Formen gebunden ist. 
Archiv des öffentlichen Rechte. XXXII. 344. 28
	        
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