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des Widerspruches zurückschreckt, der einerseits zwischen der
Wirklichkeit und den Normen des Rechtes, andererseits aber zwi-
schen diesen und den Normen der Moral oder der Zweckmäßig-
keit nicht selten sich auftun mag. So wird man den Re-
sultaten der oben durchgeführten Untersuchungen entgegenhalten.
daß sie mit der Realität des tatsächlich Geübten und Gepflogenen
in Widerspruch stünden, es sei „in Wirklichkeit“ oder „faktisch*
eben ganz anders; wenn man irrtümlich meint, Rechtserkennt-
nis habe ein Abbild der Wirkliehkeit eben jenes Seins zu liefern.
das durch die zu erkennenden Normen geregelt ist, Normen, nach
denen sich dieses Sein richten soll. Oder man wird diesen Resul-
taten entgegenhalten. daß sie unpraktisch, daß sie politisch ab-
surd seien, in der irrigen Meinung, daß Erkenntnis positiven
Rechtes jene moralisch-politischen Normen zum Gegenstande habe,
die der Gesetzgeber des positiven Rechtes bei der Erzeugung des
Rechtes nach unserer Meinung beobachten soll, die aber die Er-
kenntnis seines Produktes — die Erkenntnis des positiven
Rechtes — nicht aufzeigen kann, soferne die positiven Rechts-
normen der praktisch-politischen Vernunft widersprechen.
Niemals werden Schlagworte von der „wirklichkeitsfremden
Begriffsjurisprudenz* und der allein seligmachenden, die Wirklich-
keit erklärenden „soziologischen“ Rechtswissenschaft die fun-
damentale Wahrheit verdunkeln können, daß das Wesen alles
Rechtes wie aller Normen in der begrifflichen Gegensätzlichkeit
von Sein und Sollen besteht, daß das Recht ebenso wıe die Norm
schlechterdings sinnlos wäre, wenn es mit dem Sein, der Wirk-
lichkeit zusammenfiele, daß somit die Erkenntnis des Rechtes auf
etwas anderes gerichtet sein muß als auf die Wirklichkeit, auf
eben dasjenige, nach dem sich die Wirklichkeit richten soll.
wenn sie sich vielleicht auch nieht darnach richtet; nicht auf
das Sein, sondern dasjenige, nach dem das Sein zu deuten,
zu werten ist. Nur gegenüber den unklaren Forderungen der