Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

unwirksam ist ferner $6 IIGO. für das preußische Abgeord- 
netenhaus, welcher festsetzt, daß Abgeordnete, die den im Art. 
108 I VU. vorgeschriebenen Eid nicht leisten, unfähig seien, einen 
Sitz in der Kammer einzunehmen; denn dieser Paragraph geht 
über die dem Parlament erteilte Ermächtigung hinaus, indem er 
die lex imperfecta des Art. 108 VU. zur lex perfecta macht, wozu 
nur ein verfassungänderndes Gesetz befugt wäre”. Zudem fällt 
die fragliche Bestimmung vollkommen aus dem Rahmen der Er- 
mächtigung heraus; denn weder enthält jene eine Regelung des 
Geschäftsganges noch Disziplin. Ebenso sind ungültig die Vor- 
schriften der Geschäftsordnungen des Österreichischen Herren- bzw. 
Abgeordnetenhauses, welche dem Präsidenten das Stimmrecht 
nehmen ($$ 53 bzw. 64) °. 
Auch der naheliegende Gedanke, daß jene Artikel durch Ge- 
wohnheit Recht geworden seien, wäre irrig, da das eine Verfas- 
sung ändernde Gewohnheitsrecht sich nur auf eine allgemeine opinio 
iuris stützen kann, nicht aber auf eine so beschränkte wie die 
ım Parlament herrschende, welche nur Observanz, d.h. ört- 
lich begrenztes Gewohnheitsrecht°”, zu schaffen vermag °? #3, 
8 A, M. Arnpr VU.N. 1 zu Art. 108, S. 373; PuAaTE, Die Geschäfts- 
ordnung des preußischen Abgeordnetenhauses usw. 2. Aufl. 1904 S 33; v. 
RÖNNE-ZORN I 400 i. f.; mit Modifikationen JELLINEK allgStL. 524/5, wo sich 
übrigens, zweifellos infolge eines Versehens, die Behauptung findet, die pr. 
VU. kenne keinen Verfassungseid der Abgeordneten. — In Oesterreich 
wurde für diesen Zweck die Form des Gesetzes für nötig gehalten ($ 4 
des GOGes. v. 12. V. 1873). 
sı A. M. JELLINER a. a. O. 525. Deutlich zeigt sich hier der Einfluß 
des englischen Rechts und vor allem BENTHAMS; vgl. BEnTHAM-DUMoNT, 
Tactique des assemblees legislatives etc. 1816 tome I 72. 
82 PERELS 3; V. GIERKE, Deutsches PrivatR. I 143 beschränkt den Be- 
griff auf die Körperschaft. 
ss A. M. (für die dem gemeinen Recht derogierende Kraft) HUBRICH 
440. 
3 Die Darlegung des Textes wird rein formal-juristisch kaum zu be- 
anstanden sein. Es ist aber zu beachten, daß es in allen erwähnten Fällen 
kein Rechtsmittel zur Geltendmachung der Nichtigkeit gibt. Jene Sätze
	        
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