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des Gesetzes vom 21. Dezember 1867 (RGBl. Nr. 141) zu entneh-
men, welcher lautet: „Die Mitglieder... können... nur von
dem Hause ... zur Verantwortung gezogen werden“.
Wo das Delegationssystem gilt, muß, auch wenn es nicht
ausdrücklich ausgesprochen ist, angenommen werden, daß das Par-
lament verpflichtet ist, von der Ermächtigung Gebrauch zu
machen, da ein Parlament ohne Geschäftsordnung ein anarchisches
Gebilde wäre".
Allgemein galt bisher, daß dem Parlament nur die Mittel
zu Gebote ständen, die in der Geschäftsordnung enthalten seien.
Im Rahmengesetzsystem verstand sich das von selbst, im Dele-
gationssystem folgte es daraus. daß die Ermächtigung lautete:
Regelung der Disziplin durch eine Geschäftsordnung. Dieser Satz
ist in neuester Zeit, vor allem in Ungarn, bestritten worden. Zur
Rechtfertigung der am 4. Juni 1912 und später erfolgten Auswei-
sungen zahlreicher Abgeordneter aus dem Abgeordnetenhaus des
ungarischen Reichstags stellten der damalige Präsident des Hauses,
Graf TıszA°” und der Ministerpräsident V. LuRAcs ® folgende
Sätze auf: „Die Ermächtigung im Gesetzartikel IV ex 1848 for-
dert das Haus zur Schaffung einer Geschäftsordnung auf ($ 15),
welche die bei den Beratungen erforderliche Ruhe und Ordnung
sichern soll ($ 14). Reichen deren Bestimmungen nicht aus, so
ist sie insoweit gesetzwidrig, und der Präsident ist dann nicht
mehr an sie gebunden, sondern kann, unter Berufung auf das
91 Zust. HuBrıcH DJZ. 1906 834 in seiner Kritik über Weiss, Der
deutsche Reichstag und seine GO.; ihm folgend ArnpT RV. 192; Abe. v.
DITFURTH am 6. V. 1910 AbgH. StenBer. 5513; wohl auch Graf TıszA im
Pester Lloyd vom 18. VII. 1912 Morgenbl. 5.
92 In seinem Sendschreiben an seine Wähler (Pester Lloyd vom 18. VIl.
1912 Morgenblatt 2/6), und in seiner Rede bei seiner Wahl zum Präsiden-
ten (Az Ujsäg vom 23. V. 1912 6).
9% In seiner Rede in Nagyenyed (Neue freie Presse vom 16, VIII. 1912
Morgenbl. 2/4). Vgl. über die einzelnen Vorgänge noch NAcy v. EOTTE-
v£eny, ZPolit. V 593/5.