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Aus der Unterscheidung ergibt sich, daß der Regierungsver-
treter qua Abgeordneter der Disziplinargewalt des Parla-
ments unterliegt, als Minister nicht. Doch bleibt das Parlament
hier nicht machtlos. Das Recht, aus welchem eine Unterbre-
chung oder Verweisung auf den parlamentarischen Brauch folgt,
ist das Recht der Geschäftsleitung und die Sondergewalt.
Auf Grund des Rechts der Geschäftsleitung erteilt der Prä-
sident das Wort und leitet die Abstimmungen. Auch der Regie-
rungsvertreter darf, obwohl er durch die Verfassungen (vgl. oben
Note 148) berechtigt ist, jederzeit gehört zu werden, nicht
eher sprechen, als bis der Präsident ihm das Wort erteilt!”®. Wo
die Geschäftsordnungen durch Gesetz festgelegt sind, kann eine
derartige Bestimmung nicht in Zweifel gezogen werden", wohl
aber im Delegationssystem. Doch kann eine solche hier nicht
ungültig sein, wenn man erwägt, daß „jederzeit“ bedeutet, daß
der Regierungsvertreter stets verlangen kann, daß ihm das Wort
erteilt werde, und daß der Präsident verpflichtet ist, esihm
sobald als möglich zu erteilen. Aus der Kompetenz der formellen
Geschäftsleitung ergibt sich für den Präsidenten die Befugnis,
ihn zu diesen Zwecken zu unterbrechen. Ferner ist — rein for-
mal — darauf hinzuweisen, daß der Regierungsvertreter nicht
ein Recht hat zu reden, sondern gehört zu werden'”, d.h.
158 Zustimmend v. RÖNNE-ZORN I 392; PERELS 87; Hessen GO. 43 ];
Frankreich I, $ 36 („Les ministres ... . obtiennent la parole quand ils la
reclament‘“); Italien I, $$ 2, 46; auch Oesterreich, GOGes. $ 6; von den
GOGO. wird das selten deutlich formuliert. Musterhaft ist in der Beziehung
die des italienischen Senats $ 2 I: „Le president du Senat... . accorde la
parole aux senateurs, aux ministres et aux commissaires du roi selon les
regles qui y sont etablies* (MOREAU II 308); 8 46 1: „Peuvent seules parler
dans le Senat les senateurs et les ministres et commissaires du roi, quand
ils ont obtenu la parole du president, soit qu’ils en aient fait la demande
ecrite, soit qu’ils 1a demandent de leur place“ (MoREAU II 322).
159 Nachweise bei HUBRICH 421 N. 86.
160 Vgl. die Verfassungen von Sachsen-Altenburg, Sachsen-Meiningen,
Preußen, Schaumburg-Lippe, dem Deutschen Reich, Frankreich, Belgien,
Italien; genauere Angaben s. oben Note 148.