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Geschäftsordnung für die deutsche konstituierende Nationalver-
sammlung enthielt über den Ordnungsruf direkt nichts, sondern
hatte im $ 14 nur die allgemeine Bestimmung, daß dem Präsi-
denten die Erhaltung der Ordnung im Innern des Hauses ob-
liege??®. Später wurde eine Kommission „mit der Entwerfung
einer Vorlage über das Disziplinarverfahren zur Handhabung der
Ordnung in der Versammlung“ °*° beauftragt. Der Entwurf wurde
ausgearbeitet, gelangte aber nicht zur Diskussion”. Er ent-
hielt?3! im $ 6 die Bestimmung, daß der Vorsitzende verpflichtet
sei, den gegen die Bestimmungen der $$ 1—5 verstoßenden Redner
„zur Ordnung zu rufen“. Mit dieser Formulierung ist nichts ge-
wonnen. Die Begründung zum $ 8°°? sagt aber hierzu: Der Ord-
nungsruf sei keine eigentliche Ahndung, sondern nur eine Mei-
nungsäußerung des Vorsitzenden; ferner sei er nur eine Art Interi-
mistikum, um den Redner an ein mehr parlamentarisches Ver-
halten zu erinnern und leidenschaftlichen Reklamationen in
der Versammlung vorzubeugen. $ 15 litt. f des Reglements über
den Geschäftsgang bei dem Vereinigten Landtag”? vom 6. April
1847 bestimmte: „Wer Aeußerungen einmischt, welche den Ge-
genstand der Beratung nicht betreffen, oder von der zur Erörte-
rung stehenden Frage abschweifen, ist von dem Marschall an die
Ordnung zu erinnern“, und die provisorische Geschäftsordnung
für das preußische Abgeordnetenhaus formulierte ihn im $ 61 als
Zurückverweisung auf die Ordnung‘. Diese beiden, sowie die
228 Ders. I 164.
229 Ders. IV 2500.
2830 SCHLEIDEN (oben N. 4b) I 42.
231 HASSLER, Verhandlungen der deutschen verfassunggebenden Reichs-
versammlung zu Frankfurt a. M., 1848/49 Bd. II 510.
2922 Ders. II 505 fl.
2?3 Obwohl er staatsrechtlich kein Parlament gewesen ist, kann
doch über ihn nicht hinweggegangen werden, da einmal seine GO. der des
pr. AbgH. vorbildlich war, und er ferner den Üebergang zum modernen
Parlament vermittelt; vgl. AnscHhUtz, Komm. 26,
282 StenBer. 1848/9 XXXI; PöLITZ, Die europäischen Verfassungen seit
dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, 2. Aufl. 1832/47 Bd. IV 354.