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Ordnungsruf als sein „nächster Blutsfreund“ ®*? angesehen wird.
Denn dieses Argument fällt in nichts zusammen, wenn man sich
vergegenwärtigt, daß einige Geschäftsordnungen neben dem Ord-
nungsruf noch einen Verweis kennen.
Der Ordnungsruf ist, wie gezeigt, eine Ermahnung und Er-
innerung; letztere insofern er den Abgeordneten darauf auf-
merksam macht, daß er gegen die parlamentarische Ordnung ver-
stoßen habe, erstere insofern er von ihm verlangt, sich weiterer
Ordnungswidrigkeiten zu enthalten. Es kann damit ein tadelndes
Urteil seitens des zur Ordnung Rufenden verbunden werden; die
Befugnis dazu folgt aus dem Begriff der Sondergewalt. Der
Tadel steht aber selbständig neben dem Ordnungsruf; er hat mit
dem Begriff nichts zu tun®*?”. Es ist daher nicht ganz richtig,
wenn die Geschäftsordnung für das österreichische Abgeordneten-
haus im $ 57 A statuiert, daß der Präsident „seine Mißbilligung
durch den Ruf „„zur Ordnung““ ausspricht“. Der ÖOrdnungsruf
hat — als Ermahnung und Erinnerung — im Beamtenrecht einen
„nahen Verwandten“; dieser ist nicht der auch dort bekannte
Verweis, sondern die Warnung (z. B. RBG. 8 74 °°*; Preuß. Ges.
betr. die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten vom
21. Juli 1852, GS. 465, $ 15)°° und die „Mahnung“ gegenüber
den richterlichen Beamten (Preuß. Ges. betr. die Dienstvergehen
der Richter vom 7. Mai 1851, GS. 218, $ 13). Warnung wie
Mahnung sind im Beamtenrecht keine Disziplinarstrafen. Für die
Mahnung erhellt das noch besonders aus $ 14 des letzten Ge-
setzes: „Erscheint wegen der Schwere des Dienstvergehens eine
Mahnung dem zuständigen Disziplinargerichte als nicht ausreichend,
—
22? HeınzE (oben N. 4a) 37, nach dem der Verweis übrigens keine
Strafe ist.
243 Vgl. hierzu das oben S. 494 Gesagte; a. M. HAENEL im Reichstag
am 5. III. 1879. StenBer. 285 r. i. f: „Wir haben ... durch die richtige
Praxis des Präsidenten eine sehr große Steigerung in dem ÖOrdnungsruf.“
24 Vgl. LABAND I 489.
245 Weitere Nachweise bei G. MEYER 519 N. 7.