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so tritt die Disziplinarbestrafung ein“. Die Warnung wird
allerdings vom positiven Recht als Disziplinar- oder Ordnungs-
strafe bezeichnet; das kann aber an ihrer Rechtsnatur nichts
ändern und hat nur die Bedeutung, daß die Warnung als Strafe
gelten soll. Die Mahnung tritt ein bei einem geringeren Dienst-
vergehen und besteht darin, daß der Richter einfach auf die
Pflichten aufmerksam gemacht wird, welche ihm sein Amt auf-
erlegt ($ 13 I). Beide Elemente vereinigt der Ordnungsruf be-
grifflich in sich, ist aber dennoch, obwohl jene keine Strafen sind,
eine Strafe. Denn es ist zu beachten, daß Warnung und Mah-
nung dem Beamten erteilt werden, ohne daß etwas davon nach
außen bekannt wird. Anders ist das beim Ordnungsruf. Mag
dieser in Öffentlicher oder geheimer Sitzung verhängt werden,
immer geschieht seine Erteilung vor einer größeren Zahl von
Rechtsgenossen, und das muß seine Rechtsnatur beeinflussen. Eine
Mahnung, sich ordnungsgemäß zu verhalten, ist in solchem Fall
ein Eingriff in ein Gut des Verletzers, nämlich in seinen guten
Ruf im Kreis seiner Rechtsgenossen. Sie enthält den Befehl,
den Regeln der parlamentarischen Ordnung zu entsprechen, und
hat daher, wegen des Befehls, vorwiegend Rechtscharakter?*5®, Dieser
wird freilich dadurch modifiziert, daß die parlamentarische Ord-
nung Rechts- und Sittensätze enthält. Aber auch die Strafe hat
keinen rein rechtlichen Charakter; sie wendet sich, indem sie
in ein Rechtsgut eingreift, zugleich an die sittliche Natur des
Menschen. Der Ordnungsruf ist daher eine Strafe an der Ehre.
Für die Strafnatur spricht noch besonders, daß in Frankreich in
beiden Geschäftsordnungen die Disziplinarmittel unter dem Titel
peines disciplinaires zusammengefaßt sind“, daß auch die Ge-
245° Die in meiner Parlamentarischen Sondergewalt und Disziplin
8.69—73 entwickelte Ansicht, der Ordnungsruf sei keine Strafe, ist hiermit
aufgegeben. Dort waren die hier zuletzt hervorgehobenen Argumente nicht
beachtet.
1° Zustimmend HUBRICH 124; WEIGEL 86/7, 98.