Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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so tritt die Disziplinarbestrafung ein“. Die Warnung wird 
allerdings vom positiven Recht als Disziplinar- oder Ordnungs- 
strafe bezeichnet; das kann aber an ihrer Rechtsnatur nichts 
ändern und hat nur die Bedeutung, daß die Warnung als Strafe 
gelten soll. Die Mahnung tritt ein bei einem geringeren Dienst- 
vergehen und besteht darin, daß der Richter einfach auf die 
Pflichten aufmerksam gemacht wird, welche ihm sein Amt auf- 
erlegt ($ 13 I). Beide Elemente vereinigt der Ordnungsruf be- 
grifflich in sich, ist aber dennoch, obwohl jene keine Strafen sind, 
eine Strafe. Denn es ist zu beachten, daß Warnung und Mah- 
nung dem Beamten erteilt werden, ohne daß etwas davon nach 
außen bekannt wird. Anders ist das beim Ordnungsruf. Mag 
dieser in Öffentlicher oder geheimer Sitzung verhängt werden, 
immer geschieht seine Erteilung vor einer größeren Zahl von 
Rechtsgenossen, und das muß seine Rechtsnatur beeinflussen. Eine 
Mahnung, sich ordnungsgemäß zu verhalten, ist in solchem Fall 
ein Eingriff in ein Gut des Verletzers, nämlich in seinen guten 
Ruf im Kreis seiner Rechtsgenossen. Sie enthält den Befehl, 
den Regeln der parlamentarischen Ordnung zu entsprechen, und 
hat daher, wegen des Befehls, vorwiegend Rechtscharakter?*5®, Dieser 
wird freilich dadurch modifiziert, daß die parlamentarische Ord- 
nung Rechts- und Sittensätze enthält. Aber auch die Strafe hat 
keinen rein rechtlichen Charakter; sie wendet sich, indem sie 
in ein Rechtsgut eingreift, zugleich an die sittliche Natur des 
Menschen. Der Ordnungsruf ist daher eine Strafe an der Ehre. 
Für die Strafnatur spricht noch besonders, daß in Frankreich in 
beiden Geschäftsordnungen die Disziplinarmittel unter dem Titel 
peines disciplinaires zusammengefaßt sind“, daß auch die Ge- 
245° Die in meiner Parlamentarischen Sondergewalt und Disziplin 
8.69—73 entwickelte Ansicht, der Ordnungsruf sei keine Strafe, ist hiermit 
aufgegeben. Dort waren die hier zuletzt hervorgehobenen Argumente nicht 
beachtet. 
1° Zustimmend HUBRICH 124; WEIGEL 86/7, 98.
	        
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