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die Gesetzgebung das Gegenteil gewollt, so hätte sie nicht
schlechthin „ohne jede Einschränkung“ dem Parlament die Macht
verliehen, seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung zu regeln.
2. Unzulässigkeit wegen mangelnder Exekutivgewalt®”®. Der
deutsche Reichstag wie das preußische Abgeordnetenhaus üben,
nach dem Text der Geschäftsordnung, in ihren Räumen die Poli-
zeigewalt aus. Daß damit nicht Polizei im staatsrechtlichen Sinn
zu verstehen ist, darüber wird unten im $ 21 gehandelt werden.
Nehmen wir diesen Satz als Ergebnis vorweg, so haben die ge-
nannten Parlamente keine eigene Gewalt, ihre Befehle zu voll-
gumenten. Er führt aus, daß das Parlament wie der einzelne Abgeordnete
Organe seien und daher nur Kompetenzen hätten; deren Ausübung sei
nicht in das Belieben der Organe gestellt, sondern sie sei eine Pflicht
gegenüber dem Staat. Daher seien „alle Befugnisse des Parlaments direkte
Folgen der Organschaft; sie sind von dieser nicht zu trennen, ohne die
Organschaft ihrem Wesen nach zu verändern, d. h. eine Aenderung der
Kompetenzen ist nur möglich durch Aenderung des Inhalts der Organschaft,
also durch Aenderung der Organstellung. Daraus folgt, daß die Aenderung
oder Beschränkung der Kompetenzen des Parlaments nur durch Aenderung
seiner Organstellung erfolgen kann, d. h. soweit seine Organstellung auf
Gesetz beruht, nur durch Aenderung des betreffenden Gesetzes“. Diese
Argumentation ist m. E. durch unsre obige widerlegt. HoRSTMANNs Be-
weisführung steht und fällt mit seinem Ausgangspunkt. Er meint nämlich,
das Recht auf Abstimmung sei das Recht des Abgeordneten auf Teilnahme
an der Legislative. Oben S. 450 und 451 ist hervorgehoben, daß die Teil-
nahme an der Legislative dem Parlament als Gesamtorgan gebührt und
daß sie politische, nicht kollegiale Kompetenz ist. HORSTMANN will nun,
offenbar in Verkennung des letzteren Unterschieds, die Teilnahme an der
Gesetzgebung auflösen in Kompetenzen der einzelnen Abgeordneten, die
hiernach an jener Kompetenz Anteilsrechte oder Anteilskompetenzen haben
müßten. Daß HORSTMANNs Argumentation, sollte sie nicht bereits hiermit
widerlegt sein, nicht zutreffen kann, ergibt sich noch daraus, daß nach
außen die Abstimmung bei einer Gesetzesvorlage gänzlich bedeutungslos
ist. Hätte er die oben gemachte Unterscheidung nicht übersehen, so hätte
er in jenen Fehler nicht verfallen können. Ferner ist bei seiner Beweis-
führung nicht recht einzusehen, was er eigentlich mit der Veränderung in
der Organstellung meint.
326 Einwand von V. SEYDEL a. a. O.; MADSACK a. a. O.; HORSTMANN
a. a. OÖ. 165/6.