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strecken, sondern können sich höchstens der Staatsgewalt be-
dienen, wenn sie dazu bereit ist, ihnen ihre Zwangsgewalt zur
Verfügung zu stellen.
Immerhin kann in dem Fehlen derselben kein Grund zur Ne-
gierung der Zulässigkeit der Ausschließung erbliekt werden. Die
Entfernung selber kann zunächst nicht erzwungen werden. Wohl
aber kann der Präsident bzw. das Parlament beschließen, daß der
Abgeordnete sich zu entfernen habe. Leistet er diesem Befehl
Folge, so ist seine Entfernung nicht erzwungen, bleibt mithin
freiwillig”. Verweilt er jedoch im Sitzungssaal, so ist sein
Aufenthalt geschäftsordnungswidrig. Er überschreitet seine Kom-
petenz, im Parlament zu verweilen; mithin befindet er sich „ohne
Befugnis* (StGB. $ 123) im Sitzungssaal. Da er seine Kompe-
tenz überschreitet, verletzt er objektives Recht (s. o0.)?°. Leistet
er der „Aufforderung des Berechtigten sich zu entfernen“ nieht
Folge, so ist der Tatbestand des $ 123 StGB. gegeben. Der Be-
rechtigte ist nach der Geschäftsordnung der Präsident. Der Ab-
seordnete ist daher des Hausfriedensbruchs schuldig ®”®. Dasselbe
gilt, wenn er, nachdem er sich entfernt hat bzw. entfernt worden
ist, von neuem in den Sitzungssaal eindringt®®®. Denn das Mo-
ment der Widerrechtlichkeit ist hier, weil Kompetenzverletzung
vorliegt, wiederum gegeben. Man könnte freilich annehmen, daß
er nur ein neues Disziplinarvergehen begeht, so daß zur Kon-
struktion eines Hausfriedensbruchs ein neuer Entfernungsbeschluß
nötig wäre. Allein dieses Bedenken erledigt sich einfach da-
durch, daß die Ausschließung in Preußen ebenso wie im Reich
37 PERELS 100 N. 560 i. f.
323 Ohne Befugnis ist gleich — objektiv — widerrechtlich; so Ors-
HAUSEN, Kommentar zum Strafgesetzbuch 9. Aufi. 1912 N. 14 zu $ 123
S. 514.
32? HUBRICH 437; GOLDSCHMIDT a. a. O. 564 r; Hamm a. a. O. 652;
WEIGeL 64/5, 92; Kommissar des M.d. J. Abg.H, Drucksachen 1910, V 3514.
#890 Das tat der am 9. V. 1912 im preußischen AbgH. ausgewiesene Ab-
geordnete; vgl. AbgH. StenBer. 1912 5651/4.