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bis zum Rest der Sitzung dauert. Bis dahin also hat der
Abgeordnete keine Kompetenz, d. h. keine Befugnis im Saal zu
verweilen, und da „ohne Befugnis“ dasselbe wie „objektiv wider-
rechtlich“ ist, so ist sein Eindringen, solange die Sitzung währt,
widerrechtlich, mithin nach 8 123 StGB. strafbar.
Das gilt zunächst für das Reich und Preußen in gleicher
Weise. Im Abgeordnetenhaus Preußens aber ist dem Präsidium
durch & 64 III GO. die Kompetenz ausdrücklich verliehen, „die
erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Ausschließung durch-
zuführen. Es kann hierzu insbesondere . .. den Abgeordneten
aus den Räumen entfernen lassen, sowie seinen Wiedereintritt
verhindern“. Hier hat die Geschäftsordnung dem Präsidenten
Exekutivgewalt verliehen, doch fragt sich, ob sie dies konnte oder
auch mußte. Sofern sie damit auf den Hausfriedensbruch hin-
zielen wollte, ist es zweifellos, daß der Präsident den den Haus-
frieden störenden Abgeordneten entfernen lassen kann. Hierauf
wurde, als die neue Bestimmung im Abgeordnetenhaus beraten
wurde, besonderes Gewicht gelegt, und dies wurde besonders be-
stritten®®!. Damit kommen wir zu der letzten juristischen Ein-
wendung.
3. Verstoß gegen die $S 105 und 106 StGB. Dieser — erst
ım Jahr 1910 entdeckte — Einwand wurde, besonders in der
Presse, vielfach mißverstanden, indem man zweierlei verwechselte,
nämlich die Zulässigkeit eines Entfernungsbeschlusses und die der
gewaltsamen Entfernung selber°®?. Der erstere ist nach dem Er-
örterten rechtlich nicht zu bezweifeln, nur die zweite scheint auf
den ersten Blick gegen die genannten Paragraphen zu verstoßen.
Dann wäre die betreffende Bestimmung, quia contra legem com-
munem, nichtie. Dennoch ist ihre Gültigkeit zu behaupten.
33! HAMM a. a. O. 650; Abg. ZımMEr am 6. V. 1910, AbgH. StenBer.
9499 i. f.
#38 Das tut auch WERTHAUER a. a. O. 835r. Daraus ist zu erklären,
daß er v. Bar (304), GOLDSCHMIDT und HAMM einfach nicht versteht, und
den beiden letzten Unlogik vorwirft (835 r, 838 r. i. £.).