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Die Auffassung der Wirkung gegen den Wahlkreis war die
Meinung des „vulgären Konstitutionalismus“?”” und sollte heut
überwunden sein. »Sie findet sich dennoch häufig, meist aller-
dings nur als politische Deklamation.
Eine andere Frage wäre, ob nicht durch die Ausweisung das
durch den Ausgewiesenen vertretene ganze Volk betroffen
würde. Denn durch die Ausschließung vermindert sich die ge-
setzmäßige Zahl der Abgeordneten, und insoweit ist dann das
Volk unvertreten. Dieser Einwand ist, wenn es sich um tem-
poräre Ausschließung oder nur um bloße Entfernung aus der
Sitzung handelt, nicht gerechtfertigt, da der Ausgeschlossene Mit-
glied der Kammer, mithin Volksvertreter bleibt”, Dazu kommt,
daß auch zwischen dem ganzen Volk und dem Abgeordneten
nach der Wahl kein Rechtsband besteht.
2. Man hat gesagt, es verletze die Würde des Hauses, wenn
ein Abgeordneter ausgeschlossen wird?”*. Streng genommen ge-
hört eine Erörterung darüber nicht in eine juristische Arbeit ;
und sie wäre auch unterblieben, wenn jene Meinung eine Kritik
nicht geradezu herausforderte. Es handelt sich nur um eine ein-
fache logische Operation, um den Fehler der Gegner darzutun.
Es muß freilich zugegeben werden. daß die beiden einzigen Fälle,
die sich bisher im Reichstag und im Abgeordnetenhaus Preußens
zugetragen haben, wenig erhebend waren®”®: die Schuld daran trug
aber nicht der Beschluß des Parlaments, sondern die Widersetz-
lichkeit der Abgeordneten. Diese verletzten also, sowohl hier-
durch wie durch ihr den Anlaß zur Ausschließung gebendes Ver-
372 Huprich 461/2 Text und N. 87.
873 So HATScHEK DJZ. 1910 560; auch v. BAr im Recht 1912 303.
974 Vgl. Abg. SIngEr am 16. II. 1895, RT. StenBer. 936 D.
375 Vgl. RT. StenBer. 1902, VIII 6893; AbgH. 1912 5649/50, 5653/4 und
die sich an die Entfernung des Abgeordneten anschließende Geschäftsord-
nungsdebatte 5703/17; vgl. ferner die scharfe, aber berechtigte Kritik des
Präsidenten v. ERFFA, der (5707) von der kindischen Komödie des ausge-
wiesenen Abgeordneten sprach.