Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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Allerdings wird das geltende Parlamentsdisziplinarrecht seiner 
Aufgabe nur unvollkommen gerecht. Denn, wie wir gesehen 
haben, ist das gebräuchlichste Disziplinarmittel, der Ordnungsruf, 
eine recht schwache Reaktion auf eine Ordnungsverletzung und 
ein nur mangelhafter Ersatz für das kriminelle Strafrecht. — 
Nicht immer sind sieh die Parlamente dieser Funktion bewußt, 
und darin, daß es im preußischen Abgeordnetenhaus als geschäfts- 
ordnungsmäßig unzulässig erachtet wurde, auf Beleidigungen, die 
im Parlament Privatpersonen zugefügt wurden, mit dem Ordnungs- 
ruf zu reagieren, zeigt sich eine starke Verkennung der Aufgabe 
der parlamentarischen Disziplin (s. o. Note 215) **. 
2. Die parlamentarische Disziplin als Mittel zur Aufrechter- 
haltung der Ordnung. Dies ergibt sich aus dem Begriff der Dis- 
ziplin und zeigt sich in den einzelnen Disziplinarmitteln. Alle 
verfolgen den Zweck, Ruhe und Ordnung in der Versammlung 
aufrecht zu erhalten. Das bedarf keiner näheren Begründung. 
Beiden Funktionen der parlamentarischen Disziplin ist ge- 
meinsam, daß sie den Abgeordneten in seiner Beziehung zum 
parlamentarischen Beruf treffen. Daß dies so sein muß, folgt ein- 
fach daraus, daß es sich um Disziplin eines Parlamentes 
handelt. Diesen Charakter tragen denn auch die typischen Dis- 
ziplinarmittel %?? 4%, Aber auch, wenn das außerparlamentarische 
#32 Vgl. JELLINEK Syst. 170; SIEYES Schr. I 252: „Das Vorrecht der 
Unverantwortlichkeit könnte nicht fortdauern, wenn nicht in der Versamm- 
lung eine Art von Tribunal, Gerechtigkeit zu pflegen, nie- 
dergesetzt wäre.“ 
433 HUBRICH 413; LABES AnnDR. 1889 254 pr. Anerkannt ist das z. B. 
im 8 185 II der Württemb. VU., wenn dort von dem „Mißbrauch der Ab- 
geordnetenstellung“ die Rede ist. 
434 Immer aber bleibt die parlamentarische Disziplin Disziplin und 
fällt, trotz ihrer Besonderheiten, unter den von uns festgestellten Begriff. 
Völlig verfehlt ist es daher, wenn WERTHAUER JW. 1912 8361 sagt, „unter 
Disziplin werden die quasi fingierten disziplinarischen gegenseitigen Be- 
ziehungen Gleichgestellter verstanden“ und 8. 8381: „die Beziehungen der 
Quasidisziplin der Mitglieder untereinander“. Was das sein soll, bedürfte 
näherer Ausführungen, um verständlich zu werden.
	        
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