In zahlreichen Sondergewalten findet sie sich, im Beamtenrecht,
im Verhältnis von Arbeitgebern zu Arbeitnehmern u. a. m. Wes-
halb sie hier angewendet wird, mag dahingestellt bleiben; sicher
erscheint, daß sie für den Parlamentarier ungeeignet ist. — Die
andere Frage ist die, ob nicht die Geldstrafe überhaupt bereits
da bekannt ist, wo die Abgeordneten Diäten erhalten und wo für
jeden Tag, an dem der Abgeordnete der Sitzung fernbleibt, eine
bestimmte Summe in Abzug gebracht wird. Für die Konstruktion
dieser rechtlichen Erscheinung sind mehrere Wege denkbar. Ein-
mal kann man sagen: die Diäten sind eine sog. Aufwandsent-
schädigung, eine öffentlich-rechtliche Alimentation “*°, deren Rechts-
grund in der Teilnahme an den Sitzungen besteht. Bleibt ihr der
Abgeordnete fern, so entfällt der Rechtsgrund, und es tritt daher
eine öffentlich-rechtliche condictio causa data causa non secuta
ein 2”, Strafeharakter wäre dann nicht vorhanden. — Ferner
könnte man, davon ausgehend, daß die Diäten vielfach größere
Vollständigkeit der Sitzungen bezwecken sollen, den Diätenverlust
als sog. Zwangstrafe (s. o. $51I, 1b S. 475) auffassen; auch dann
wäre Strafcharakter nicht vorhanden. Endlich könnte man die
Diätenentziehung auch als Strafe konstruieren *®, Dann müßte
man sagen, daß der Abgeordnete den Anspruch auf die Auszah-
lung der Diäten mit seiner Abgeordnetenqualität erworben habe;
dieser Anspruch stelle einen Bestandteil seines Vermögens dar;
würde ihm, da das Wegbleiben von der Sitzung ein Disziplinar-
vergehen ist (s. o. S. 520, 521), deshalb der Anspruch verringert
bzw. entzogen, so wäre dies eine Strafe. Die beiden letzten Kon-
struktionen haben eine gewisse Berechtigung, um so mehr, als
der Text der einschlägigen Gesetze ** keinen Aufschluß gewährt.
46 JELLINEK Syst. 171.
447 Das Kondiktionenrecht ist dem Öffentlichen Recht nicht unbekannt;
vgl. FLEINER 171, 172, 407.
#48 Das tun HuBricH 461; Abg. SCHLEIDEN im Reichstag am 15. VI.
1868, StenBer. 457.
#9 8 2 des Diätenges. f. d. Mitgl. d. RT. v. 21. V. 1906, RGBl. 468;