Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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dürfte, bringt $ 3 des Gesetzes vom 11. Mai 1842: „Die [polizeiliche] Ver- 
fügung kann jedoch, des Widerspruchs ungeachtet, zur Ausführung ge- 
bracht werden, wenn solches nach dem Ermessen der Polizei- 
behörde ohne Nachteil für das allgemeine nicht ausgesetzt bleiben 
kann.“ Also: das Ermessen entscheidet, ob ein ordnungswidriger Zustand 
weiter bestehen soll oder nicht. Folglich ist auch der Polizeibefehl ein 
Akt des freien Ermessens. BÜHLER will allerdings das Gesetz vom Jahre 
1842 nicht wehr gelten lassen; es sei überholt durch $ 10 II 17 ALR. aus 
dem Jahre 1794, „der seine jetzige Bedeutung eben nicht von Anfang hatte, 
vielmehr erst in den 1370er Jahren erhielt und insofern tatsächlich lex 
posterior gegenüber jenen Gesetzen ist“ (S. 183). Wir wissen, daß BÜH- 
LER hierin irrt: weder bekam $ 10 Il 17 ALR. seine heutige Bedeu- 
tung erst in den 1870er Jahren, noch hatte er überhaupt je die Bedeutung 
einer das freie Ermessen ausschließenden Norm. BÜHLER beruft sich für 
seine Ansicht von der Geltung des Legalitätsprinzips auf TuoMmA, Polizei- 
befehl S. 78. TmaoMA spricht aber dort, wie schon ein flüchtiger Blick 
lehrt, allein vom sogen. „vollziehenden‘ Polizeibefehl, der nur wiederholt, 
„wozu ein Gesetz (Verordnung, Verfügung) den Untertan schon verpflichtet 
hat“ (TmomaA S. 79), also typischerweise einem Befehl zur Abstellung 
strafbarer Zustände. Den weit wichtigeren Polizeibefehl dagegen, 
nämlich die Verfügung zur Abstellung bloßer Ordnungswidrig- 
keiten, bloß verbietbarer Zustände nennt THOMA eine „verpflich- 
tende“* Verfügung, und die verpflichtenden Verfügungen sind auch nach 
THoMA Akte des freien Ermessens (Polizeibefehl S. 69 ff... Wenn BÜHLER 
endlich die Rechtsprechung zu seinen Gunsten anruft (S. 175 ff., 185 f., 192 £f.), 
so verwechselt er hier, wie noch zu zeigen sein wird (IV 1), die Frage des 
Uebermaßes mit der Frage der Notwendigkeit. 
3. Das hauptsächliche Schutzmittel gegen polizeiliche Verfügungen bildet 
die sogenannte Anfechtungsklage, auf Grund deren das Verwaltungsgericht 
die angefochtene Verfügung aufheben kann. Geprüft werden könnten hier- 
bei an sich drei Fragen: die Rechtsfrage, die Tatfrage, die Ermessensfrage. 
In Wirklichkeit beschränkt sich die Kontrolle des Verwaltungsgerichts nach 
positivem Recht auf die Rechts- und die Tatfrage, es fehlt ihm also die 
Ermessenskontrolle Diesen Satz bezweifelt Verfasser für Bayern, Sachsen, 
Württemberg und Baden nicht. Nur in Preußen soll die Frage anders ge- 
regelt sein ($. 290—318). Nach $ 127 Abs. 3 des Landesverwaltungsgesetzes 
vom 30. Juli 1883 kann die Klage „nur darauf gestüzt werden: 1. daß der 
angefochtene Bescheid durch Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung 
des bestehenden Rechts, insbesondere auch der von den Behörden inner- 
halb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen den Kläger in seinen 
Rechten verletze; 2. daß die tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorhan- 
den seien, welche die Polizeibehörde zum Erlasse der Verfügung berechtigt 
haben würden.“ BÜHLER weist richtig nach, daß nach Absicht des Gesetz-
	        
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