Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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Schon GNEIST weist darauf hin, „daß im Verwaltungsrecht eine feste 
Scheidung zwischen Grenzbestimmungen und Maßbestimmungen nicht durch- 
führbar ist“ und erklärt für das Polizeirecht: „Die Maßbestimmung ist hier 
zugleich Grenzbestimmung: Beides fließt unscheidbar ineinander“ (Verhand- 
lungen S. 234). In der Tat ist die parteiische Maßbestimmung eine Rechts- 
widrigkeit. Es gibt einen Rechtssatz: Handle nicht parteiisch; im 
Grundrechte der Gleichheit ist er enthalten (Art. 4 Preuß. Verf.Urkunde); 
er gilt aber als wahrscheinlicher Wille des Gesetzgebers auch ohne aus- 
drückliche gesetzliche Regelung. Man nehme eine Polizeiverordnung, die 
bestimmt: „Sozialdemokratische Radfahrer haben ihre Laternen um 8 Uhr 
abends anzuzünden, konservative erst um 9 Uhr“, so wird doch niemand 
bezweifeln, daß diese Verordnung rechtsungültig ist, vermöge des Rechts- 
fehlers des zu geringen Umfangs, der ungleichmäßigen Behandlung (Gesetz, 
Gesetzesanwendung usw. S. 261 ff... Das gleiche gilt dann aber auch für 
polizeiliche Verfügungen, nur daß hier der Nachweis einer parteiischen 
Behandlung meist schwerer ist. Eine Polizeiverfügung mit der Begründung: 
„Dir wird das Tanzgesuch abgeschlagen, weil du Sozialdemokrat bist“, ist 
doch zweifellos rechtswidrig, ebenso wie es eine Rechtswidrigkeit ist, wenn 
die Polizei von 100 völlig gleichen Dachkammern 99 unbeanstandet läßt 
und eine einzige beanstandet. Ich habe diese Frage anderweit ausführlich 
behandelt und dort auch die umfangreiche Rechtsprechung über diesen 
Punkt dargestellt und mit Berücksichtigung GNEISTs gewürdigt (Gesetz, 
Gesetzesanwendung S. 323 ff., S. 326 N. 13, 8. 333, S. 72 N. 18). 
Alles in allem: Auch die gerechte Maßbestimmung GNEISTs gehört zur 
Rechtsfrage.e Wer für die preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit Ermes- 
senskontrolle in Anspruch nehmen will, darf sich nicht auf GnEisT berufen. 
Insbesondere hat bei der Anfechtungsklage das Preußische OVG. weder 
nach dem ursprünglichen Sinne des Gesetzes noch aus sonstigen Gründen 
eine andre Frage zu prüfen als die Rechtsfrage und die Tatfrage. Auch 
hat es im Verlaufe seiner Rechtsprechung nie eine andre Frage geprüft als 
diese beiden. " 
4. Damit komme ich zu einer vierten vom Verfasser ausführlich be- 
handelten Frage: Gibt es ein subjektives Recht des einzelnen gegen den 
Staat auf richtige Ausübung des freien Ermessens (8. 162 ff., S. 209 £.)? 
Soweit hier das „richtig“ vom Standpunkte der Zweckmäßigkeitserwägungen 
betrachtet wird, gibt es einen solchen Anspruch, wie Verfasser zutreffend 
erkennt, nicht. Denn über den inneren Wert oder Unwert der Zweck- 
mäßigkeitserwägung entscheidet die Behörde, der einzelne hat also keinen 
Anspruch auf eine bestimmte Ausübung des freien Ermessens. Davon ganz 
verschieden ist die Frage, ob nicht das Gesetz vorschreiben kann, die Be- 
hörde habe bei Ausübung ihres Ermessens gewisse Erwägungen anzustellen 
oder zu meiden. In der Tat kann das Gesetz dies tun. So ist es ein un- 
zweifelhafter Satz des geschriebenen (etwa $ 7 Abs. 1 Regierungsinstruk-
	        
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