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unfähigkeit anerkannt hat. Denn es ist nicht anzunehmen, daß die Verfas-
sung will, daß der neue Herrscher, wenn dieWahrscheinlichkeit hiefür besteht,
sich der Gefahr aussetzt, die Regierung wieder niederlegen zu müssen. In
diesem Falle kann es dann nicht der Herrscher sein, der den Landtag ein-
beruft; denn in der Einberufung liegt eine Regierungsausübung. Vielmehr
ist hier das Gesamtministerium zuständig. Dasselbe gilt bei der Einsetzung
einer außerordentlichen Regentschaft. Auch dann ist das Ministerkolle-
gium zum Einberufen befugt, wenn der Regent wegen der Möglichkeit,
vom Landtage im Stich gelassen zu werden, mit dem Antritte der Regent-
schaft wartet.
Doch noch von anderem. Vermißt habe ich im neuen SEYDEL einige
wichtige, im praktischen Staatsleben hervorgetretene Fragen. In $ 75 fehlt
eine Erörterung der Frage, ob und wann der Minister verpflichtet ist, das
Gutachten des Ministerrates einzuholen. Bestehen darüber staatsrechtliche
Grundsätze oder Dienstvorschriften oder nur politische Regeln? Nach
dem, was in der parlamentarischen Behandlung der Frage hervortrat, scheint
es — natürlich nicht veröffentlichte — Dienstvorschriften zu geben. Einen
weiteren Ausbau hätte dann die Lehre von den auswärtigen Angelegen-
heiten erfahren dürfen. Wann vertritt z. B. das Verkehrsministerium den
Staat nach Außen? In der Fresse war darüber einmal eine Regelung ver-
öffentlicht. Ist ferner der von SEYDEL übernommene Satz (II S. 628) ge-
genüber dem Staate richtig: die katholischen Kirchenangelegenheiten ge-
hören nicht zu den auswärtigen, sondern zu den inneren Angelegenheiten
des Staates? Gilt das nicht bloß im Verhältnis zu den Bischöfen? Zu
kurz behandelt (II S. 100) ist die schwierige Frage der nichtbudgetmäßigen
Fonds. Vgl. darüber meinen Aufsatz in der Allgemeinen Zeitung 1901
Nr. 301. Ferner sind im Militärrecht die in der Praxis so bedeutsamen
Folgen des Umstandes nicht genügend gewürdigt, daß der bayerische Mili-
täretat kein Bedürfnis-, sondern ein Quotenetat ist. Seine Höhe hängt von
der Höhe des bayerischen Rekrutenkontingents ab.
Straßburg. Prof. Dr. H. Rehm.
Deutscher Juristenkalender 1914, begründet und herausgegeben
von Rechtsanwalt Dr. Arthur Kallmann, Berlin. Verlag der Deut-
schen Juristenzeitung, Berlin (Otto Liebmann).
Wie Meyers historisch-geographischer Kalender und SPEMANNs Kunst-
kalender auf ihrem Gebiet Begleiter durch das Jahr sein wollen, so möchte
der Deutsche Juristenkalender einiges zusammenstellen, was den Juristen
täglich an die Reize seines Berufes erinnern kann. Rechtshistorisches,
Gesetzesdaten, Daten aus dem Leben bekannter Juristen und National-
ökonomen, deren Bild auch häufig Aufnahme gefunden hat, Rechtsparömien
und im Mittelpunkt steht der in kurzen Abhandlungen auf die einzelnen