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Behörden, es waren die Regierungen, die Finanzkammern und die
Obergerichte.
Grundlegend an der ganzen Verordnung war die nunmehr
in allen Instanzen streng durchgeführte Scheidung zwischen Justiz
und Verwaltung. Nach $ 3 sollten in der Regel mehrere Aemter
aus verschiedenen Fächern in der Regel einem Diener nicht über-
tragen werden. „Insbesondere soll niemand künftig neben dem
Richteramte noch irgend ein administratives oder finanzielles Amt
übernehmen, 'es sey denn wegen besonderer Umstände und nach
den einstimmigen Anträgen der betreffenden Ministerien.“ Recht-
lich blieb also allerdings noch abgesehen von der Rechtsprechung
in der obersten Instanz, dem OAG., eine Vereinigung von Justiz
und Verwaltung noch möglich, tatsächlich wurde freilich hiervon
nie Gebrauch gemacht. Erst $ 112 der Verfassungsurkunde ordnete
kategorisch an: „Die Rechtspflege soll von der Landesverwaltung
fernerhin auf immer getrennt sein.“ An oberster Stelle stand nach
wie vor das OAG. in Cassel. Es setzte sich zusammen aus
zwei Abteilungen, einem Zivil- und einem Kriminalsenate unter
der Leitung eines gemeinschaftlichen Präsidenten. Der Zivilsenat
hatte kraft Gesetzes den Präsidenten als Direktor, außerdem je nach
Lage der Geschäfte 6—8 stimmführende Mitglieder. Er war Be-
rufungsgericht gegen alle erstinstanzlichen Urteile der Obergerichte
bei einem Beschwerdegegenstand von mehr als 200 Talern oder
mehr als 8 Talern jährlich. Der Kriminalsenat unter einem
Direktor als Vorsitzenden und 3—4 stimmführenden Mitgliedern
war Revisionsgericht gegen die strafgerichtlichen Urteile der Ober-
gerichte in nicht reinen Bagatellsachen. (Ueber die Geschichte
und Zuständigkeit des OAG. im einzelnen vgl. die interessante
Schrift von Amtsrichter Dr. Keck: Die Entwickelung des Ober-
appellationsgerichts zu Cassel, Cassel 1906.) In der Hauptstadt
einer jeden Provinz, also in Cassel, Marburg, Hanau und Fulda,
wurde ein Obergericht für die bürgerliche und Strafrechtspflege
in 2 Senaten unter der Leitung eines gemeinschaftlichen Präsi-