Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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abzugeben und Anträge zu stellen und, wenn er beim Landrat 
kein offenes Ohr fand, den Oberbehörden seine Wünsche vorzu- 
tragen. Ihm waren auf Verlangen Verwaltungsberichte verschie- 
dener Art zur Kenntnisnahme vorzulegen. Er hatte sich viertel- 
jährlich unter dem Vorsitze des Landrats zu einer ordentlichen 
Sitzung zu versammeln und nötigenfalls außerordentliche Sitzungen 
abzuhalten. Er hatte nur beratende Stimme, aber sein Votum 
mußte ernstlich erwogen und konnte nur unter Darlegung der 
Gründe unberücksichtigt gelassen werden (LOTZ a. a. O. S. 206).* 
Ansätze zu einer Selbstverwaltung der Kreise waren also schon 
in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaße vorhanden. 
Obwohl in sehr vielen Fällen nicht Kreiseingesessener war 
der Landrat im allgemeinen, wie auch wiederholt in den Bera- 
tungen der kurhessischen Landstände bereitwillig anerkannt wurde, 
beliebt und hoch geachtet. Er genoß das volle Vertrauen seiner 
Bevölkerung, das lag einmal daran, daß ihm wie dem hessischen Be- 
amtentum überhaupt, wie uns BÄHR, Das frühere Kurhessen S. 36 fig. 
ausdrücklich bezeugt, jedes bureaukratische Wesen, jede Strenge 
und Ueberheblichkeit gegenüber der Bevölkerung völlig fernlag. 
Sodann daran, daß der Staatsbeamte überhaupt, so auch der Land- 
rat die Wünsche der Bevölkerung den Vorgesetzten gegenüber 
unerschrocken und mannhaft zur Geltung brachte. Der kurhessi- 
sche Staatsdienerstand übte auf die Geschicke des Landes einen 
tiefgreifenden und wohltuenden Einfluß. Schon lange vor der Ver- 
fassung hatte er eine durchaus gesicherte Stellung. Bereits das 
Hausdiener- und Staatsgesetz vom Jahre 1817 sprach den großen 
Grundsatz aus, daß ohne Urteil und Recht kein Staatsdiener seiner 
Stelle entsetzt oder ihm sein rechtmäßiges Diensteinkommen ent- 
zogen werden könne. Dieselben Grundsätze brachte $ 56 der 
Verf.-Urk. Da es keine Disziplinargerichte gab, so konnten dem- 
nach nur die ordentlichen Gerichte auf Dienstentlassung und Ver- 
setzung erkennen. Ferner wurde die Dienstaufsicht in allen Zweigen 
der staatlichen Tätigkeit, Justiz wie Verwaltung nicht etwa von
	        
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