193
Könige eine Reihe von einzelnen Befugnissen als die königliche
Prärogative zuschreiben. So erklärt es sich weiter, daß die
englischen Juristen dem Könige und den beiden Häusern des
Parlaments zusammen die gesetzgebende Gewalt zusprechen 1),
unbekümmert um die grundsätzliche Verschiedenheit der Stel-
lung, welche der König, und derjenigen, welche das Parlament
der Gesetzgebung gegenüber einnimmt. So ist denn auch der
Begriff des King in parliament als des eigentlichen, ja des
omnipotenten Souveräns von England entstanden.
Aber es würde doch nicht richtig sein, wollte man aus
diesen Sätzen der englischen Jurisprudenz auf eine zwischen
König und Parlament wirklich getheilte Souveränetät schließen.
Stahl's eigene schwankende und unsichere Ausdrucksweise, es
stände dem Parlament „schon rechtlich eine Art Mitsouveräne-
tät“ zu, beweist, daß er es nicht wagt, dem Parlament eine
wirkliche, verfassungsmäßig anerkannte Souveränetät zuzu-
sprechen. Die Formel von der Omnipotenz des King in par-
liament besagt vielmehr in Wahrheit nichts anderes als die
Omnipotenz der gesetzgebenden Gewalt, spricht die Theilnahme
an der letztern aber dem Parlament in keinem andern Sinne
zu, als sie unsern deutschen landständischen Versammlungen
zusteht. Auch wir müßten, wenn wir uns an die äußere Er-
scheinung des Verhältnisses halten wollten, als höchste Macht
im Staate nicht den König allein, sondern den König mit den
Landständen zusammen bezeichnen, weil er nur in dieser Ver-
einigung die gesetzgebende Gewalt besitzt. Hat auch die deut-
sche staatsrechtliche Construction, frei von der noch immer
in England verbreiteten Doctrin der Gewaltentheilung, dem
Landesherrn die ganze gesetzgebende Gewalt zugesprochen und
1) Blackstone, Commentaries, I, 147.
Brockhaus, Legitimitätsprincip. 13