Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Und das sowohl im Reiche, wo die verfassungsrechtliche Stellung des 
Bundesrates (durch die so häufig begegnende Verwechselung mit dem eng- 
lischen Oberhause) stark unterschätzt wird, als auch in Preußen, das in einem 
unitarischen Reiche aufgehen soll, wie man es einst zu Frankfurt plante. 
Es ist eine schwer realisierbare Forderung, wenn der Vf. sagt: „Preußens 
Geschichte muß immer noch die seiner Könige sein, nicht um seiner selbst, 
sondern um des Reiches willen“, dann aber für die Zukunft fortfährt: „Die 
Krone muß aus der preußischen Interessensphäre hinaus in die des Reiches 
hinüberwachsen .... Deutschlands Geschichte ist und muß die seiner 
Kaiser sein“. Wer getraute sich wohl den Moment zu bestimmen, wo jenes 
zu gelten aufhört und dieses zu gelten beginnt!? Für K7. vereinfachte 
sich diese Schwierigkeit, weil er schon jetzt das föderalistische Prinzip im 
Reiche zugunsten des unitarischen unterschätzte. 
Beiläufig sei erwähnt, daß es doch nicht ganz korrekt ist, das Deutsche 
Reich mit Nordamerika und — Oesterreich-Ungarn unter der Bezeichnung 
„Staatenvereinigung* zusammenzufassen, daß gegenwärtig in unserem 
Reichstage keine „süddeutsche Volkspartei*t Opposition macht, daß die 
Parteibezeichnung: Zentrum von Haus aus einen lokalen, nicht einen quali- 
tativen Sinn hat, endlich, daß Wilhelms I. bekannter Ausspruch ein „Mehrer 
des Reichs“ zu sein gerade nicht im Sinne einer Erweiterung der Landes- 
grenzen gemeint war, wie die folgenden (von Ks. nicht mehr angeführten) 
Worte der Kaiserproklamation beweisen. Freilich: tempora mutantur; 
heute wird man Ky. nicht widersprechen wollen, wenn er den Abschnitt 
über Deutschland mit den Worten schließt: „Es ist ein Volk, das nicht 
nur auf der Höhe der Kultur, sondern auch auf der der Lebenskraft und 
des Lebensmutes steht. Aus solchem Stoff werden Weltmächte geformt. 
Großdeutschland scheint bereit zu sein, vor der Geschichte dasselbe Zeug- 
nis abzulegen wie Deutschland zu Bismarcks Zeiten — daß es reiten kann, 
wenn man es nur in den Sattel hebt“. Rücken wir daneben zu grellem 
Gegensatze die Worte über England. 
K3. spricht von der englischen Seeherrhaft und der damit notwendig 
verbundenen Weltherrschaft als von einem rudimentären Ausläufer der alten 
Universalreiche im Gegensatz zu dem neuzeitlichen Grundsatze eines 
Systems koordinierter Staaten und kommt zu dem Ergebnis, daß „das eng- 
lische Weltreich in seinem Typus einer Situation und einer Szene angepaßt 
ist, welche die Weltgeschichte wohl streichen wird.“ Dieses Reich hat 
England „hinter dem Rücken Europas auf planetarischer Bühne aufgebaut“, 
indem es die deckende „Kulisse des europäischen Gleichgewichts“ benutzte. 
Das alte System der „Kontinentaldegen* im Dienste der Insularen gegen 
die jeweils stärkste Macht des Festlandes (in dem auch Eduard VII. mit 
seinen Ententen „als eine bloße Variante des bekannten Typus“ erscheint), 
begründete statt einer Balance in Europa tatsächlich das Uebergewicht 
Englands in der Welt. „Aber in demselben Maße wie die Weltgeschichte
	        
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