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Und das sowohl im Reiche, wo die verfassungsrechtliche Stellung des
Bundesrates (durch die so häufig begegnende Verwechselung mit dem eng-
lischen Oberhause) stark unterschätzt wird, als auch in Preußen, das in einem
unitarischen Reiche aufgehen soll, wie man es einst zu Frankfurt plante.
Es ist eine schwer realisierbare Forderung, wenn der Vf. sagt: „Preußens
Geschichte muß immer noch die seiner Könige sein, nicht um seiner selbst,
sondern um des Reiches willen“, dann aber für die Zukunft fortfährt: „Die
Krone muß aus der preußischen Interessensphäre hinaus in die des Reiches
hinüberwachsen .... Deutschlands Geschichte ist und muß die seiner
Kaiser sein“. Wer getraute sich wohl den Moment zu bestimmen, wo jenes
zu gelten aufhört und dieses zu gelten beginnt!? Für K7. vereinfachte
sich diese Schwierigkeit, weil er schon jetzt das föderalistische Prinzip im
Reiche zugunsten des unitarischen unterschätzte.
Beiläufig sei erwähnt, daß es doch nicht ganz korrekt ist, das Deutsche
Reich mit Nordamerika und — Oesterreich-Ungarn unter der Bezeichnung
„Staatenvereinigung* zusammenzufassen, daß gegenwärtig in unserem
Reichstage keine „süddeutsche Volkspartei*t Opposition macht, daß die
Parteibezeichnung: Zentrum von Haus aus einen lokalen, nicht einen quali-
tativen Sinn hat, endlich, daß Wilhelms I. bekannter Ausspruch ein „Mehrer
des Reichs“ zu sein gerade nicht im Sinne einer Erweiterung der Landes-
grenzen gemeint war, wie die folgenden (von Ks. nicht mehr angeführten)
Worte der Kaiserproklamation beweisen. Freilich: tempora mutantur;
heute wird man Ky. nicht widersprechen wollen, wenn er den Abschnitt
über Deutschland mit den Worten schließt: „Es ist ein Volk, das nicht
nur auf der Höhe der Kultur, sondern auch auf der der Lebenskraft und
des Lebensmutes steht. Aus solchem Stoff werden Weltmächte geformt.
Großdeutschland scheint bereit zu sein, vor der Geschichte dasselbe Zeug-
nis abzulegen wie Deutschland zu Bismarcks Zeiten — daß es reiten kann,
wenn man es nur in den Sattel hebt“. Rücken wir daneben zu grellem
Gegensatze die Worte über England.
K3. spricht von der englischen Seeherrhaft und der damit notwendig
verbundenen Weltherrschaft als von einem rudimentären Ausläufer der alten
Universalreiche im Gegensatz zu dem neuzeitlichen Grundsatze eines
Systems koordinierter Staaten und kommt zu dem Ergebnis, daß „das eng-
lische Weltreich in seinem Typus einer Situation und einer Szene angepaßt
ist, welche die Weltgeschichte wohl streichen wird.“ Dieses Reich hat
England „hinter dem Rücken Europas auf planetarischer Bühne aufgebaut“,
indem es die deckende „Kulisse des europäischen Gleichgewichts“ benutzte.
Das alte System der „Kontinentaldegen* im Dienste der Insularen gegen
die jeweils stärkste Macht des Festlandes (in dem auch Eduard VII. mit
seinen Ententen „als eine bloße Variante des bekannten Typus“ erscheint),
begründete statt einer Balance in Europa tatsächlich das Uebergewicht
Englands in der Welt. „Aber in demselben Maße wie die Weltgeschichte