Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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die kühle, unbefangene Prüfung von Gründen und Gegengründen zu kurz 
kommt. Und doch ist das keineswegs der Fall. Was PoHL sagt, ist in 
der Hauptsache zutreffend. Die britischen orders in council, die übrigens 
nebst anderen Urkunden bis November 1914 wörtlich abgedruckt sind, wer- 
den richtig interpretiert, wenn sich über Einzelheiten auch wird streiten 
lassen. Wer zudem berücksichtigt, daß POHL immer mit Wärme die (nach 
der herrschenden Ansicht freilich nicht haltbare) Idee eines „nationalen 
Völkerrechts“ vertreten hat, wird seinen Standpunkt bezüglich der Not- 
wendigkeit von nationalem Pathos in wissenschaftlichen Fragen leichter 
begreifen und, sich in die Anschauung des anderen verständnisvoll hinein- 
versetzend, darin lediglich die Konsequenz eines sicherlich charaktervollen 
Gelehrten erblicken. \ 
Daß Englands Verhalten in der Konterbandefrage völkerrechtswidrig 
ist, kann heute nicht mehr bestritten werden. Die Abschneidung der Kon- 
terbandezufuhr darf nur dazu dienen, die für das Heer oder die Flotte be- 
stimmten Gegenstände wegzunehmen. Dagegen darf das Konterbanderecht 
nicht dazu benutzt werden, die Zivilbevölkerung auszuhungern. Das letz- 
tere aber versucht England, indem es die Konterbandelisten erheblich er- 
weitert. Nur wird man in diesem Verhalten lediglich einen sehr scharfen 
Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht, nicht aber, wie POHL 
meint, gegen die Londoner Deklaration erblicken dürfen. Denn letztere 
ist nicht ratifiziert, und wir müssen nach wie vor zwischen der Unterzeich- 
nung und Radifikation eines Abkommens unterscheiden, wobei gewiß zuge- 
geben werden soll, daß die Nichtgenehmigung der Erklärung von Seiten 
Englands außerordentlich bedauerlich ist. 
In der Minensperre erblickt PoRL eine Umgehung des Prinzips der 
effektiven Blockade. Das ist übrigens auch die Meinung LIEPMANNs in dem 
oben erwähnten Artikel. Gewiß war der Zweck der englischen Minensperre 
die Unterbindung des gesamten deutschen Handels, also insofern mit der 
Blockade wesensgleich. Aber weil diese Blockade ganz allein durch Minen 
aufrechterhalten wird, müssen die besonderen Vorschriften über das Minen- 
wesen eingreifen, die niemals eine dauernde Sperre der hohen See gestatten. 
Eine andere Konstruktion ist nicht denkbar und würde, wie das tatsächlich 
LIEPMANN auch getan hat, dazu führen, in dem deutschen Nordseeerlaß vom 
Februar 1915 ebenfalls eine Blockade zu erblicken, was mit Recht bereits 
NIEMEYER, TRIEPEL und ZORN abgelehnt haben. 
Meine abweichende Ansicht von PoHL in der Frage der Festhaltung 
der deutschen Wehrpflichtigen auf neutralen Schiffen habe ich in meinem 
„Seekriegsrecht“ niedergelegt. Ich möchte noch bemerken, daß ich in 
meinem Buche die Stellungnahme Englands zur Konterbandefrage deshalb 
nicht bekämpft habe, weil es beim Abschlusse meines Werkes keinesfalls 
feststand, wie England seine orders in council handhabte. Erst seitdem 
ist das klar geworden.
	        
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